Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Menschen Menschlichkeit

∞  1 Januar 2014, 21:37

Egal, wo wir uns bewegen, wie wir uns fühlen, in welcher Hackordnung wir wo stehen:

Wir sind die Menschen einer Herde, in der jedes Schaf seinen Grasbüschel sucht und ihn notfalls verteidigt. Dass diese Schafe eher bezweifeln, dass sie überhaupt einen Hirten haben, hindert sie nicht, wirklich lammbrav einer Fülle von Regeln zu folgen, weil da immer auch ein Hirtenhund auftaucht, der uns bissig bellend daran erinnert, wo wir hin gehören. Wir alle sind wie Schafe. Wir akzeptieren die Gesetze der Herde, denn nach diesen Regeln überleben oder scheitern wir.

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Erfolg, Ansehen, Leistung: Erreichen wir ein Ziel, betonen wir unsere harte Arbeit. Wir huldigen den Insignien des Erfolgs, sind oft Konkurrenten – aber sind wir tatsächlich immer weniger soziale Wesen? Lässt sich nicht festhalten: Ganz egal, wo wir auf der gesellschaftlichen Leiter stehen – was ist all das, was wir leisten, was wir tun oder unterlassen, wenn wir dabei die Menschlichkeit verlieren?

Menschlichkeit überwindet Gräben, verhindert Burnout genau so wie soziale Not. Sie hilft, im Erfolg nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren und in der Not, die Hoffnung aufrecht zu erhalten, den Trost und den Mut zu finden, weiter zu machen. Menschlichkeit hilft zu allerererst dem Menschlichen, der Person, die sie lebt, hervorholt, vor dem Verkümmern bewahrt, sich nicht schert, ob sie Naivling, Gutmensch oder Phantast genannt wird. Wer menschlich handelt, ist bei sich. Er spürt, dass es tief in uns drin dieses Gen des Hirten gibt, das den Starken immer auch für den Schwachen da sein lässt.

Die Menschlichkeit lindert die Einsamkeit, sie negiert den Tod nicht und lässt den Sterbenden nicht allein, sie neidet niemandem das glückliche Leben und vergisst nie, wo sie herkommt und dass sie Geschenke, die sie erhält, weitergibt, damit sie ihre wunderbare Saat spriessen lassen können. Die Menschlichkeit ist die Krankenschwester der Seele, die keinen Arbeitsplan kennt und immer im Dienst ist, ohne das Lächeln zu verlieren. Denn das, was sie schenkt, bekommt sie zurück:

Ob es einen Hirten gibt, müssen wir uns selber beantworten. Aber die Menschlichkeit haben wir so oder so zu hüten, und es ist zu hoffen, dass uns das gelingt, selbst dann, wenn wir uns nicht von der Umsicht des Hirten geführt glauben. Denn, sagen Sie mir, können Sie sich ein einziges Schaf vorstellen, das glücklich sein könnte, würde es verlernen, sich wie ein Schaf zu verhalten und so zu fühlen?