Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Magistrat mit Plagiat

∞  17 Februar 2011, 19:31

Wieder war es nichts mit der neuen Leitfigur… Theodor zu Guttenberg hat für seine Doktorarbeit abgeschrieben wie ein Schulbub. Nicht so schlimm? Für jene, die keine Moral bemühen wollen, bleibt die Frage: Wie kann ein Mann wie zu Guttenberg meinen, so was bliebe im heutigen Zeitalter unentdeckt? Und wie soll man sich von einem solchen Wehrminister regiert fühlen, wenn man bedenkt, dass jeder seiner heutigen Tage die Abschätzung von Konsequenzen eines bestimmten Handelns mit ganz anderen Tragweiten beinhaltet…?


Er hat also geschummelt. Der Herr zu Guttenberg nahm es mit dem Zitieren von Textpassagen seiner Doktorarbeit nicht so genau, wie es scheint, und so lässt er die Professoren und alle Leser denken, er hätte Dinge gescheit gedacht, die in Wahrheit andere vorgedacht haben. Während er sich darauf hinaus reden dürfte, dass bei 1200 Seiten nicht jede Passage unbedingt sauber als Zitat gekennzeichnet werden oder zumindest dabei mal ein Fehler unterlaufen könne, fragt sich unsereiner nicht nur, wie unverschämt populär plagieren doch geworden ist – und wie dumm man sein muss, zu glauben, so was würde nicht rauskommen und die Begründung wäre zu akzeptieren, wenn das erste Plagiat schon in der Einleitung vorkommt? Aus Leitartikeln von Tageszeitungen abschreiben und das als eigene Gedankenübung durchgehen lassen? Du meine Güte. Wenn er wenigstens umformuliert hätte, er ist doch ein eloquenter Kerl.

Uns bleibt wirklich nichts erspart: Da taucht ein Politstar am Firmament auf, der wie kein anderer Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit zu besitzen scheint, und so mancher mag glauben, unter den Politikern fänden sich vielleicht doch welche, die genau in dieser Funktion genau das erfüllen könnten, was man sich eigentlich von einer Führungsfigur in politischen Dingen wünschen würde: Charakterlich unzweifelhafte, glasklare und geradlinige Positionen, auf denen sich so was wie Verlässlichkeit aufbauen liesse.

Und was ist, wenn der Herr zu Guttenberg gar recht hat, wenn er sich sicher ist, kein Plagiat eingebaut zu haben? Es soll ja auch vorkommen, dass Doktorarbeiten als Ganzes eingekauft werden, und ein Ghostwriter für die Intelligenzia hätte dann wohl noch viel weniger Hemmungen, unter Zeitdruck ein bisschen Gedankenfutter links und rechts einzusammeln…

Unter dem Strich bleibt in jedem Fall für alle wohl nur eines, zu allererst für Herrn zu Guttenberg selbst:
Hier hat die jüngste Geschichte gezeigt, dass einer das Zeug hätte, mehr als eine Kühlerfigur zu sein. Die gelebte Praxis NACH der Ausbildung hat dafür Indizien genug geliefert. Und nun muss sich so einer wohl sagen: Wie konnte ich nur selber so dumm sein, zu meinen, DAS nötig zu haben? Und zu glauben, damit auch noch durchzukommen…? Man hätte sich nur ein wenig Zeit nehmen müssen, statt das Notwendige als lästige Pflicht zu betrachten…

Womit ich für mich die Frage beantworte, die da heisst: Wäre zu Guttenberg fähig, Ministerämter zu besetzen? Ja, aber natürlich! Der Kerl hat alles, was es dafür braucht. Fast. Nur eines hatte er nicht: Die Zeit und die Demut, dies auch beweisen zu wollen – so wie es uns allen innerhalb einer Ausbildung aufgetragen ist.

Es wird sehr spannend sein, zu beobachten, wie die Öffentlichkeit mit dieser Situation umgeht. Sind Abkupfereien nicht irgendwie entschuldbar? Wir alle haben schon abgeschrieben, manche Seminararbeit ist zudem mehr oder weniger eine Aneinanderreihung von schon getroffenen Aussagen… Oder ist ein Plagiat eben mehr und auch entsprechend zu ächten? Die Gesellschaft wird dabei viel über sich selbst erzählen, und wir werden uns ein Stück bewusster werden, in welcher Art Welt wir heute leben. Schon zu Helen Hegemann fiel mir vor allem ein:

Was für eine Geisteshaltung ist es denn, sich mit fremden Worten zu schmücken, den Schmuck aber nicht zu kennzeichnen, weil dessen Herkunft keine Glorie verkörpert? Den Inhalt nehmen, sich aber für die Etikette schämen? Blogger-Zitate werden auch von Printmedien oft verwendet, aber kaum je mit richtiger Quellenangabe – im besten Fall heisst es “in Bloggerkreisen ist zu lesen”, oder so ähnlich.

Man kann es auch so sagen: Allen Plagiatoren würde es wohl kaum einfallen, ein Zitat von Churchill zu verwenden, ohne es zu bezeichnen. Eben.