Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der letzte Frühling unseres Kühlschranks

∞  29 März 2010, 16:55

Am frühen Morgen, auf jeden Fall ist er für mich noch früh, spaziere ich über die Ebene in unserer Nähe, vorbei am grünen Hang, der bald überbaut werden soll. Wohnungen für viele hundert Menschen zusätzlich. Siedlungsdruck. Die Zeit drängt, heisst es. Fragt sich nur, auf was sie wirklich drängen würde, wenn man sie denn fragte, die Zeit.

Müde gähnen kleinste Pfützen im Asphalt. Vertrocknete Regenwürmer kleben verkrustet im Teer, absurd hingeklebt zu Dutzenden, ich sehe sie überall, alle paar Meter,als wären sie auf einem Exodus gestorben, verleitet zu einer hoffnungslosen Flucht aus feuchter Erde.

Danach stehe ich, irgendwann später an diesem Tag, in der Küche und schaue aus dem Fenster. Hinter mir plärrt und rattert der Kühlschrank. Seit drei Tagen hat er eine schwere Lungenentzündung. Nach fünfzehn Jahren droht dem Kompressor das Ende. Wir werden heute Nachmittag einen neuen kaufen müssen. Vor mir rollt sich die Strasse aus, der Teer trocknet schnell, ich kann ihm beinahe zusehen dabei, während graue Wolken heller werden und einen blauen Himmel hinter sich her ziehen, bis er zum Dach über meinem Dach wird. Ich erkenne – es ist wie eine Ahnung von Glück – was für ein Trost es sein kann, dem Leben zuzusehen. Ich schaue noch eine Weile zu, wie es trocknet. Dann hört die Strasse auf zu glitzern. Jetzt ist sie mit leuchtendem Grau bemalt und es scheint Mittag zu werden. Heute ganz besonders.

Nun sind wir zurück, der Kühlschrank ist gekauft, Anlieferung nach Ostern. Ich war eben wieder in der Küche. Aus dem Fenster habe ich nicht mehr geschaut. Mittlerweile scheint die Sonne. Sie blendet, meine Hose ist warm, das Sofa fast heiss. Es wird Frühling. In der Küche leidet der alte Kühlschrank. Sein Rasseln ist nun bis hierher zu hören. Wir lauschen seinen Geräuschen und werden seinen aussichtslosen Kampf begleiten. Gerade ist es still geworden. Es muss gerade nicht gekühlt werden. Irgendwann wird er nicht mehr anspringen, der Gute. Dann ist er still und leise gestorben. Am Ende geht von uns allen eine Stille aus. Absolut. Und friedlich. Hoffentlich.