Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Lärm in mir

∞  28 Juni 2008, 16:46

Wer aus der Stille kommt, wird von Lärm nicht verschont, aber auch nicht heimgesucht von ihm. Wir richten uns nicht nur Wohnungen ein, sondern auch unsere Wahrnehmungen von Geräuschen.


Was hatte ich doch eine wundervolle Stille in mir und um mich, als ich gestern Freitag mir eine ganze Menge Zeit nur für mich nehmen durfte! Vor einem Jahr waren solche Tage nicht zuletzt eine Herausforderung, geprägt von der Erfahrung, dass Stunden der Stille in erster Linie dazu führten, meine innere Unruhe laut werden zu lassen.

Heute kann ich tatsächlich bei einem inneren Frieden einkehren, darin ruhen, und es ist, als würde ich gleichzeitig eine Einladung aussprechen an meine Umgebung, ein Teil davon zu werden, auf dass ich auch zurückgeben kann, was ich erfahren darf.

Doch gerade gestern Abend, als es tatsächlich in unserer Nachbarschaft ein wenig lauter war, bin ich zu Hause mit meinem aufkeimenden Ärger in Konflikt geraten, und ich schreibe heute darüber, weil sich das beim Brunch heute Mittag fortsetzte:
Es ist ein Phänomen, das mich immer wieder beschäftigt: Man bekommt selbst die Möglichkeit, einen Tag für seine Ruhe zu nutzen. Eine Art Wellness für den Geist. Und ich empfinde es auch so, geniesse es bewusst, kann darin leben, entspannen. Warum aber dann diese Empfindlichkeit danach, der aufkeimende Ärger, das Gefühl, am liebsten weit weg zu flüchten, wenn ich wieder in den Alltag eintauche? Das Hundegebell ist jetzt ein Blaffen, das Kinderschreien ein Brüllen, der Rasenmäher ein Drescher, das Gespräch auf der Strasse ein Geplärr oder zumindest ein Palaver.

Vielleicht wird mir der Kontrast zu drastisch vorgezeigt? Ich sollte doch – mit dem aufgefüllten Speicher an innerer Ruhe – dem alltäglichen Lärm besser statt schlechter begegnen können?!
Thinkabouts Wife hilft weiter: Erkenne, dass der Lärm, den Du hörst, immer der Deine ist. Er kommt nicht ausserhalb von Dir vor, er entsteht in Dir. Nur, weil Du ihm den Platz gestattest, nimmt er ihn ein, dann aber auch mit aller Macht. Unsere Wahrnehmung ist die Realität, die wir auch beeinflussen können – und die einzige, die uns wirklich erreicht – oder eben gefangen nimmt.

Tatsächlich: Wenn Sie diesen Text lesen, dann hören sie die Umgebungsgeräusche nicht oder anders, als dies zuvor der Fall war. Oder aber der Text dient schlicht dazu, dass sie nichts anderes hören als eben genau diese Geräusche um Sie, die genau jetzt zu Lärm werden, weil Sie beim Lesen dieser Zeilen merken, dass sie gar nicht festhalten können, was Sie lesen, weil der Lärm um Sie stärker ist und Ablenkung, Störung bleibt.
Manchmal ist es eben der nachhaltige Sinn der Stille, uns zu lehren, dass der Lärm danach genau das ist: Lärm. Den ICH zu “normalen” Geräuschen werden lassen muss, damit ich mich nicht (länger) über ihn ärgere. Ja, er soll in mir verschwinden, sterben, damit anderes leben, wachsen kann.

Töne klingen ganz anders, wenn sie keinen Lärm durchdringen, sondern eine Ruhe tragen dürfen. Bis sie selbst still werden…




[Bild: (c) Thinkabout, Australien, 2007]


°