Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Feind als Lehrer

∞  15 Februar 2007, 20:41

Diese Person lässt Ihnen keine Ruhe. Immer wieder stellt sie sich Ihnen in den Weg. Und Sie können sich nicht entziehen. Wollen Sie auch nicht. Sie wollen sich behaupten. Und so gibt es nun mal Berührungspunkte zwischen Ihnen.
Die Missgunst, die Sie zu spüren bekommen – sie wäre so unnötig. Sie werden ausgenutzt und gleichzeitig beneidet. Da sind so viele Dinge, gegen die Sie sich nicht wehren können. Die negativ an Sie heran getragene Stimmung wird zu Ihrer eigenen. Das Atmen fällt Ihnen manchmal schwer.

Also ist es wohl so, dass diese Ausgangslage geradezu danach ruft, sich selbst in der Kunst der Gelassenheit zu schulen, gerade angesichts einer Person, die sich in so mancher Hinsicht als für Sie fragwürdig erwiesen hat. Dazu gehört ja nicht nur Ihr Urteil, sondern auch eine Form der Enttäuschung, die irgendwie immer wieder in Ihnen hoch kommt.

Wie also dem allem, wie dieser Person begegnen?

Versuchen Sie bitte das Folgende, mag es noch so schwer scheinen, oder mögen Sie es auch noch so bescheuert finden beim ersten Mal durchlesen:

  1. Was hat Sie dazu veranlasst, sich ursprünglich auf diese Person einzulassen? Was bringt Sie allenfalls noch heute immer irgendwie wieder zusammen? (Ich meine damit nicht die Abfolge scheinbarer Zufälligkeiten oder Notwendigkeiten, die Ihre Wege sich kreuzen lassen, sondern Ihre eigene Motivation. Es geht erst nur um Sie. Und nicht um die Beweggründe dieser anderen Person.
  2. Sagen Sie sich noch einmal, ganz grundsätzlich, was Sie an dieser Person gut finden oder fanden, an ihrem Tun vielleicht, an ihrem Stil, ihrer Erscheinung.
  3. Jetzt erzählen Sie sich selbst wie einer Freundin oder einem Freund, was Sie mit dieser Person Enttäuschendes erlebt haben. Stellen Sie sich dabei vor, wie Ihnen zugehört wird (hören Sie sich wirklich zu), und beobachten Sie sich und Ihre Empfindungen. Rekapitulieren Sie ruhig nochmals alles.
  4. Sie erzählen sich dies alles selbst, und Sie verstehen sich. Sie wissen, dass Sie richtig empfinden, umgekehrt aber zumindest missverstanden werden.
  5. Die Dinge, die Sie finden, und die noch immer gelten, zeigen, welche menschlichen Defizite diese andere Person aufweist. Dennoch schafft es diese zum Feind gewordene Person, Sie nachhaltig zu ärgern. Noch immer. Und wenn Sie so weiter machen, immer wieder oder gar für immer.
  6. Sie gestatten dieser Person Macht über Sie, ohne dass sie dafür einen weiteren Finger zu rühren braucht. Sie kochen vielleicht Rächersüppchen und reiben sich dabei die Hände. Aber der Stachel in Ihnen wird deswegen nicht aus dem Fleisch gezogen. Die Person wühlt weiter wie eine kleiner böser Kobold in Ihrer Seele.
  7. Schauen Sie nun dieser Person zu. Wie sie ohne Überzeugung ist und ohne Halt. Stellen Sie sich vor, was es für Sie bedeuten würde, mit der gleichen eingeschränkten Motivation sich jeden Tag behaupten zu müssen. Stellen Sie sich für diesen Fall Ihr eigenes Inneres vor, und dann die Kälte in den Adern dieser Person. Es dürfte ziemlich oft geschehen, dass die Person Verachtung empfindet für ihre Mitmenschen, ohne dass sie sich bewusst würde, wie sehr sie diese Verachtung damit gegen sich selbst richtet.
  8. Denken Sie nun an Menschen, die mit Ihnen glückliche Stunden erleben. Und lassen Sie das Gefühl sich ausbreiten, das diese Befriedigung in Ihnen auslöst.
  9. Stellen Sie sich ohne Schadenfreude vor, welche Traurigkeit diese Person befallen dürfte, könnte sie jetzt genau so in Sie hinein hören. Trauer über ein Er-Leben, das ihr fehlt, und nach dem sie sich ganz bestimmt aus tiefstem Herzen sehnt.
  10. Bitten Sie Ihre Sie führenden unsichtbaren Hände, auch über diese andere Person zu wachen.
  11. Leben Sie Ihr Leben und erkennen Sie, dass Sie ruhend in Ihrem Wissen über sich selbst keinen Angriff zu fürchten brauchen. Seien Sie gelassen und gütig Ihren Mitmenschen gegenüber, auch wenn sie Ihnen in dieser Person, die Ihre Feindin schien, begegnen.
  12. Machen Sie diese Person zu Ihrer Lehrerin für gelebte Gelassenheit und seien Sie eifrig bemüht, in jede Begegnung mit allen Menschen Ihr Vertrauen einzubringen. Erwarten Sie von diesem einen Menschen nicht, dass er sich Ihnen gegenüber ändert, aber versuchen Sie in sich selbst die Voraussetzung dafür anzubieten.
  13. Leben Sie im Übrigen Ihr Leben und fühlen Sie sich von keinem Menschen zu einem bestimmten Verhalten genötigt. Wir alle sind manchmal auf andere angewiesen, aber in aller Regel nicht in einer so einschließenden und einengenden Weise, wie wir glauben mögen. Erkennen Sie vor allem, dass Sie Ihren Geist und Ihre Seele schützen können, gerade dann, wenn Sie sich nicht verschliessen.
  14. Was uns aber hindert, uns selbst fortzubewegen, unseren Geist zu befrieden und wirklich gelassen zu leben, ist die Anhaftung an den Ärger über andere, unser eigener Widerstreit mit Geschehenem, das nicht zu ändern ist. Keine Kutsche, die retour gefahren wird, bringt Sie vorwärts.
  15. Wenn Sie Ihren Weg so gehen können – dann freuen Sie sich dafür um so mehr an den Menschen, die Ihnen darauf fröhlich begegnen.