Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Fan, die Kurve und wir

∞  24 September 2012, 17:39

Wie wichtig Fans wirklich sind. Weil gesellschaftlich auch positiv relevant.

Wir kennen wohl alle Bereiche des öffentlichen Lebens, an denen wir teilnehmen wollen, in denen wir uns selbst bewegen wollen, die sich in einer Weise verändern, die uns stört. Vandalismus auf öffentlichen Plätzen, das Verhalten der Passagiere in öffentlichen Verkehrsmitteln, die Ordung und Sauberkeit in Parkanlagen – oder das Zuschauerverhalten bei Sportanlässen. Störend bis irritierend ist dabei nicht nur die Verluderung, welche Sitte und Zustand dieser Bereiche erfahren, sondern die scheinbare Gleichgültigkeit oder zumindest Resignation, mit der diese Beobachtungen und Empfindungen hingenommen werden.

istockphoto.com/koun

Zum Thema der Auswüchse, welche bei Fussballspielen zu beobachten sind, ist bei The European ein Artikel von Thomas Gander erschienen, Geschäftsleiter bei “Fanarbeit Schweiz”. Als ich den Test zu lesen begann, dauerte es nicht lange, bis in mir Ärger hochkroch. Nicht nur, dass die pauschale Verurteilung der Fans einmal mehr beklagt wird; es wird auch behauptet, dass sich nahezu alle Matchbesucher von Fussballspielen der obersten Liga jeweils sicher fühlen würden. Dies bezweifle ich entschieden – zumal man jene Zuschauer nicht befragen kann, die gar nicht erst mehr hingehen, weil sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. An mir selbst kann ich feststellen, dass ich seltener hingehe, weil ich mich auch “aus sicherer Distanz” über jeden Anflug von Vandalismus oder auch nur Unflätigkeit ärgere.

Doch es ist gut, dass ich weiter gelesen habe, denn Gander führt in der Folge auch Argumente auf und liefert Informationen, die sehr wichtig sind: Hier berichtet einmal jemand von den sozailen Aspekten der Fankultur, bei denen es initiative “Kurvengemeinschaften” gibt, mit beträchtlichem kreativem Potential und entsprechend positiven Kräften, die man sehr wohl weiter fördern könnte – auch und gerade, um Fans in ihrem Bedürfnis nach eigenem Ausdruck, aber auch nach Abgrenzung gegenüber reinen Chaoten zu unterstützen.

Wenn wir heute feststellen, dass es für die Jugend immer schwieriger wird, sich über Musik, politische Ideen oder sonstige sozio-kulturelle jugendliche Identifikation von der autoritären Erwachsenenwelt abzugrenzen und die eigene Identität auszubilden, dann liegt hier wohl ein Riesenpotential, das mit ein bisschen Unterstützung und Verständnis so gefördert werden könnte, dass die selbstregulierenden Kräfte tatsächlich greifen könnten:

Wenn diejenigen Fans, die mit Choreografien und riesigen Transparenten, mit all diesen Aktivitäten, die sehr viel Kreativität und Selbstorganisation voraussetzen, beachtet und geachtet würden, nicht nur im Moment der jeweiligen Produktion, dann wäre auch ein Gegenpunkt zu den reinen Chaoten gesetzt. Es ist keine Anbiederung und kein warmes Wort gefragt, sondern der Blick dahinter und in die Mitte der Fankurven, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, dass manche dieser Gruppen sehr wichtige und durchaus gesellschaftlich positive Prozesse kennen – auch wenn sie sich kritisch bemerkbar machen gegenüber dem, was sie als Mainstream und entsprechend spiessig verorten und ablehnen mögen.