Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der ewige Schlagzeuger

∞  29 Mai 2008, 19:06

Ich komme eben von einer kleinen, inspirierten und inspirierenden Reise zurück.

Langsam, so stellte ich gestern in Amsterdam in einem Kaffeehaus nahe der Centraal Stration fest, wird mein Schreiben eine Passion.
Liegt da eine leere Serviette, ein zerknittertes Papier, das glatt gestrichen werden kann, so bilden sich wie von selbst Gedanken, die ich darauf nieder geschrieben sehen möchte.

Ich muss auch an den Schlagzeuger denken, den ich auf dem Aussengelände der Messe seit sicher zehn Jahren “treffe”, wenn ich vom Messegelände zurück zur Metrostation marschiere. Ich habe mittlerweile jeweils die Münzen schon in der Hand, wenn ich auf der Messe mich auf den Weg mache, endlich ans Freie getreten, endlich die frische Luft atmend, endlich spürend, ob es heiss oder kalt ist, ich endlich wahrnehmen kann, ob der Tag freundlich lächelt oder mürrisch Windstösse durch die Nüstern bläst.

Doch dieses Jahr war es anders. Rund um das Messegelände wird gebaut, die Gegend ist von Sichtverkleidungen aus Spanplatten verstellt, der Blick bleibt gefangen, und so wankt die Herde der Pinguine mit gesenktem Kopf zur Metro. Da und dort flattert eine Krawatte im Wind oder sucht gar hinter dem Schulterblatt des Trägers Windschutz. Skurril müssen wir wirken, wie wir so im Gleichschritt unsere Rollkoffer hinter uns her ziehen.

Ich fürchte schon, dass er nicht da ist. Aber ich irre mich zum Glück. Da nimmt er eben die Sticks in die Hand und trommelt an gegen den Baulärm, der so stark ist, dass er für mich lange nur Pantomime ist. Doch sein Spiel ist souverän, wie ich merke, als ich näher komme und stehen bleiben darf, weil der Lärm zurück tritt vor diesem Berserker, der aber nie nur laut ist, sondern immer auch virtuos bleibt. Er hat sein Schlagzeug in einer kleinen Senke vor einer Fussgänger-Unterführung aufgebaut, so dass die Schläge noch mehr Lautklänge sind, wenn sie zurückprallend sich über die Kreuzung legen, wo sich ständig Fussgänger aus dem Weg gehen, nachdem sie sich im Weg gestanden sind.

Mein Messetag war mir nun endgültig eine vertraute Sache, und so überstehe ich am Ende auch die heute mühsame Fahrt mit der Metro ohne grösseres Klagen.

Ich rotiere auf dem letzten Zacken, aber da trommelt einer für mich, und wenn der so viel Ausdauer hat, werde ich das wohl ja auch leisten können. Und dabei so ansehnlich tönen, dass man mir zuhört. Und sonst will ich schweigen. Vermehrt schweigen. Damit ich nicht Teil des Baulärms werde…


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