Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Den Hader aushalten, den Kummer teilen, den Mut suchen

∞  26 April 2011, 19:07

Wenn dich, Freund, der Hader gefangen nimmt, weil du doch wirklich genug gelitten hast, dann möchte ich erst recht den neuen Kummer von dir und deiner Liebsten nehmen können. Ich kann es nicht. Ich kann dir nur anbieten, deinen Kummer zu teilen. Ich fürchte ihn nicht und weise ihn nicht ab. Ich will ihn aushalten. Bis ein neuer Sonnenstrahl durch den Nebel bricht.


Kaum habe ich meine kleinen Zipperlein entsprechend eingeordnet und in ihrer Bedeutung hinter die Schranken beordert, hinter die sie auch gehören, wird mir im nächsten Freundeskreis auch prompt wieder vorgeführt, wie unbedeutend meine Problemchen doch sind.

Ein indischer Freund überschreibt seinen geschäftlichen Internet-Auftritt mit “think positive”. Aber: Das Leben ist einfach nicht gerecht. Und abseits von geschäftlichen Marketingkonzepten ist das Gute-Laune-Prinzip oft noch schneller nur ein löchriger Vorhang, der schnell zerfällt: Es gibt Menschen, die wirklich einen schweren nassen Sack schultern müssen. Und selbstredend sind es Freunde, denen man alles wünschen würde, aber nicht Mühsal, Krankheit und die Ungewissheit, in der sich jede Sorge zum Kummer verdüstert.

Wie soll man sich da nicht im Hader verheddern und gar wütend werden ob all der Schläge, die auf einen ganz unverdient niedergehen? Es kommt einem Hiob in den Sinn, der seinen Gott laut anklagt angesichts der Plagen, die ihm zufallen. Aber Hiobsbotschaften lösen ja mehr aus als Wut (die ja auch eine gesunde erste Reaktion sein kann). Wirkliche Düsternis bringen sie mit, wenn sie sich mit dem Eindruck verbinden, für immer geschlagen zu sein von einem Schicksal, das nicht zu beeinflussen ist und sich in der eigenen Person einen persönlichen Lieblingspechvogel auserkoren zu haben scheint.

Wer eine schwere Krankheit über lange Zeit schultern muss und dabei ständig zwischen Hoffen und Bangen pendelt, muss sich von uns Gesunden nichts anhören, kann immer mit Fug und Recht sagen, dass andere leicht reden können. Aber sollen wir überhaupt reden, nur weil wir die Situation als Nebenstehender kaum aushalten?

Es wäre doch vielleicht ein Weg, zumindest nicht zwischen zwei Hilflosigkeiten zu wählen: der aufmunternden Floskel oder dem ausweichenden Bogen (der zum Distanz schaffenden Haken werden kann). Ja, es ist nicht leicht, dabei stehen oder gar sitzen zu bleiben und seine Sprachlosigkeit einzugestehen: Ich weiss keinen Rat.

Ich wünsche Besserung, aber ich weiss selbst: Es ist nur ein Wunsch. Nur? Vielleicht ist es doch viel mehr. Zeigen zu können, dass mir dein Leid Kummer macht, ist vielleicht kein Trost. Aber es ist alles, was ich habe. Und wenn du die Kraft findest, erneut aus dem Morast steigen zu wollen, dann bin ich mit unter den Glücklichen, die ermuntern wollen – und dabei unheimlich viel über Lebensmut lernen können. Und über die Lebenskunst, Demut an den Anfang und ans Ende zu stellen. Dazwischen werden dann viele Antworten auf die Frage stehen: Wie weiter? Und vielleicht schaffen wir uns einen unanfechtbaren persönliche Frieden mit dem Umstand, dass es auch seine Ordnung haben kann, dass sich diese Frage immer wieder neu stellt. Für uns alle. Wenn auch ganz unterschiedlich drängend.