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Demokratie in Zeiten wie diesen

∞  4 November 2013, 22:15

Parteien, die Erfolg haben, wollen Macht, wollen auch regieren. Um Erfolg zu haben, braucht es Mehrheiten, Ausrichtungen, Anpassungen. Gerade laufen die grossen Koalitionsverhandlungen in Deutschland zwischen der Union und der SPD. Wer gibt wie viel preis und worin erkennt der Wähler seine Partei danach nicht wieder?

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Demokratie ist nicht ein Kreuzchen alle vier Jahre. Demokratie ist ein politischer Prozess der Meinungsbildung und -umsetzung, bei der nach Ausgleich und Abgleich gesucht wird. Es muss, und das ist gut so, für Lösungen, für Preisgaben auch motiviert werden. Und während für die Koalition um Steuererhöhungen oder eben doch keine, Mindestlöhne – aber wie hohe etc. gestritten wird, kann man sich als Bürger wieder mal fragen, was denn, bitteschön vorgekehrt werden könnte, dass sich in der jeweiligen Chose nach den Wahlen nicht alles ins Gegenteilige verkehrt, Koalitionen geschmiedet werden, die man so ganz bestimmt nie auf dem eigenen Wahlzettel gehabt hätte.

Die Antwort ist: In diesem System gibt es kein Mittel dagegen. Aber etwas könnte man tun: Man könnte als Wähler vor der nächsten Wahl und in der angebrochenen Legislatur die Parteien danach befragen und sie dabei prüfen, wie sie es mit der Demokratie eigentlich so halten? Mit der direkten Demokratie, meine ich.

Ich wäre der letzte, der empfehlen würde, direkte Demokratie nach dem Modell eines anderen Staates einzuführen und sie wie einen Pfropf auf einen Kessel zu setzen. Ds würde und müsste schief gehen. Nein: Direkte Demokratie muss von unten nach oben wachsen, indem zum Beispiel mehr Volksbefragungen durchgeführt werden, auch für lokale Projekte, und den Resultaten nicht nur konsultativer Charakter zukäme, sondern das Versprechen einher ginge, auch so zu handeln. So kann sich nach und nach auch die Kultur der Debatten von einer Personendebatte hin zu Sachfragen verschieben, und am einzelnen Projekt kann für und wider von Zielsetzungen überprüft werden. Was mich nachdenklich stimmt, ist dabei folgendes:

Tendenziell wollen Parteien links der Mitte viel eher mehr direkte Demokratie als der rechte Flügel. Das Misstrauen gegenüber dem Bürger, die Überheblichkeit, anzunehmen, er verstehe die Komplexität nicht und werde also ganz bestimmt dagegen (gegen die Wirtschaftsinteressen) entscheiden, sitzt tief. Und ganz offensichtlich traut man sich dabei nicht zu, mit Argumenten zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Ganz praktisch mag es auch eine Rolle spielen, dass Regierende solche Prozesse natürlich hinderlicher finden als Oppositionelle – aber auch in dieser Feststellung liegt eine Bedenklichkeit: Wir Bürger könnten die Regierung am Regieren hindern – dabei ist sie ja dafür gewählt, dass sie uns so regiert, wie wir es im Grunde wollen. Sie muss nicht besser und gescheiter sein als der Bürger, sie muss kompetent sein, dessen Willen in konkrete Projekte zu kleiden.
Wenn man das so liest, dann spürt man, wie naiv das ist, nicht wahr? Und genau daran kranken unsere Systeme: Dass der Bürger ihnen lästig wird.

Das ist zu verhindern, und dafür sollten sich die Parteien verbürgen – für den Kampf für mehr direkte Demokratie. Wäre ich Deutscher, ich würde meine nächste Wahl genau darauf ausrichten, während es alle Welt erstaunlich findet, dass Frau Merkels Handy abgehört wird, aber keinen Mucks von sich gibt, dass das bei normalen Bürgern völlig akzeptabel sein soll.

Direkte Demokratie braucht politisch interessierte Menschen. Agierende wie Wählende. Nicht naiv ist auf jeden Fall diese Aussage: Für Besserung in dieser Richtung ist es nie zu spät – so lange wir überhaupt eine Wahl haben.