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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Das Vorbild

∞  2 März 2010, 12:08

Dieser Artikel erzählt von einem Eishockeyspieler und einem besonderen Menschen. Er kann also auch Sportmuffel interessieren.

Olympia ist vorbei, und damit auch das Herzschlagfinale im Eishockey zwischen Kanada und den USA, das Kanadas Superstar Sidney “The Kid” Crosby in der 8. Minute der Verlängerung entschieden hat. Damit ist jener Spieler zum finalen Held des Turniers geworden, von dem im Vorfeld am meisten die Rede und auf den ich entsprechend gespannt war, denn Crosby hat mit 22 Jahren bereits eine erstaunliche Karriere hingelegt: Er ist der jüngste Spieler, der je Captain eines Stanley-Cup-Siegers (Pittsburg) war.
Dies hier wird aber kein Artikel, der nur Eishockey-Fans interessieren soll. Er handelt vielmehr von der unterschiedlichen Wahrnehmung ausserordentlicher Fähigkeiten ausserordentlicher Persönlichkeiten in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit.

Ich liebe Eishockey, aber ich würde mich nicht als Fachmann bezeichnen. Auf die Nr. 87 Kanadas habe ich aber von Anfang an speziell geschaut. Auf den ersten Blick war den Kommentaren recht zu geben: Der Spieler ist nicht speziell aufgefallen. Auch die Skorerstatistiken hat er nicht dominiert. Im Fokus schienen andere zu stehen. Der Amerikaner Kane ist der viel elegantere Schlittschuhläufer und ein begnadeter Dribbler mit unglaublich schnellen Händen. Kein Verteidiger bleibt auch unter Druck so ruhig abgeklärt und behält so viel Übersicht wie der Kanadier Niedermayer. Der Kanadier Iginla schoss Tore am Fliessband, schien es, und stand immer wieder im Mittelpunkt des Geschehens. Er ist der Sturmpartner Crosbys. Und eben dieser Crosby, was war mit “The Kid”? Den Marktschreiern fiel er wohl erst auf, als er gegen die Schweiz der einzige war, der einen Penalty gegen Hiller verwandeln konnte. Doch wer speziell auf diesen Spieler achtete, konnte von der ersten Minute an Erstaunliches beobachten:
Sidney Crosby ist 22. Das ist im Eishockey fast noch Kückenalter. Sein Gehalt ist astronomisch, er wird nicht nur in Kanada vergöttert. Aber Crosby bringt vor allem eines aufs Eis: Teamspirit, die absolute Liebe zum Spiel und die totale Akzeptanz aller Aufgaben, welche zu jedem einzelnen Einsatz gehören. Ich habe Checks gegen Crosby vor Augen, nach denen er schmerzhaft aufs Eis krachte, ich sehe ihn sich vor dem eigenen Slot in gegnerische Schüsse werfen. Er ist alles, nur kein Blender. Seine Spielweise ist äusserst geradlinig, er führt die Scheibe kaum je zu lange, sieht immer den besser postierten Mitspieler und sucht den geraden, kurzen Weg zum Tor, mit und ohne Scheibe.
Sein Auftreten im Interview ist bescheiden, seine Akzeptanz in der Mannschaft enorm. Wenn dieser bestbezahlte Spieler das finale Tor schiesst und wieder im absoluten Mittelpunkt steht, dann freuen sich seine Mitspieler mit ihm, weil sie ihm das gönnen. Wer mit Crosby in der Mannschaft steht, wird sich seines eigenen Wertes bewusst, wer gegen ihn spielt, gewinnt den Respekt vor den stillen Tugenden dieser Kunst , weil sie hier in einer Art und Weise vorgeführt wird, welche nie die Galerie im Auge hat, sondern den Erfolg der Mannschaft.

Die oberflächlichsten Würdiger dieses ausserordentlichen Sportlers sind die Herren Kommentatoren und Journalisten, welche in der Regel nur bis zur Wahrheit der Statistiken vordringen. Für die Beurteilung von Crosbys Leistung ist es daher gut, gelang ihm das Winning Goal im Final. Die wirklichen Liebhaber und die Trainer aller Juniorenmannschaften freuen sich auch: Denn so lässt sich dem Nachwuchs noch besser vermitteln, WAS dieses Spiel wirklich ausmacht. Das Vorbild Sidney Crosby eignet sich für das Annehmen eines Checks und die nüchterne Verteidigungsarbeit viel besser als für den eitlen Kreisel auf dem Eis. Und vor allem lehrt die Geschichte von Sidney Crosbys Olympia-Turnier eines: Dass das Schicksal in aller Regel oder zumindest immer wieder ehrliche Arbeit und die Demut im Umgang mit dem eigenen Talent belohnt. Und wahrscheinlich ist dieser junge Mann genau jener Sportler, der den eigenen Erfolg nie nur mit der eigenen “harten Arbeit” begründen würde. Er steht vielmehr da und staunt voller Dankbarkeit, dass ihm dieses Ende des Turniers gelingen durfte: Der Olympiasieg. Niemand dürfte sich mehr darüber freuen, dass er ihn im Team erreicht hat, als er. Nichts ist schöner, als Erfolg zu teilen. Direkt und unmittelbar, z.B. mit Iginla, dem alten Hasen, der schon vor acht Jahren Olympiasieger war, und der die Scheibe in der entscheidenden Szene ausgrub und für Crosby auflegte.

Am Ende ist die Geschichte eines Sieges immer scheinbar logisch. Auch dies gehört zum Sport. Die Spieler aber wissen, dass es immer auch das Wettkampfglück braucht. Grund, abzuheben, ist genügend vorhanden. Das Hochgefühl kann dabei nur sehr verschiedene Ursachen haben. Crosby wird das einordnen können und ein Stück weit die Menschen schreien lassen, welche ihm bald wieder mal eine Statistik vorhalten werden. Die Wahrheit ist auf dem Eis. Niemand muss sie wirklich kennen – ausser den eigenen Kameraden. Für Crosby würde ich so manche Drecksarbeit herzlich gern erledigen. Sofern ich denn dazu komme und er sie nicht schon übernommen hat.