Mein Schreiben. Täglich.

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Das neue Online-Kostüm der NZZ zwickt - auch mich als Leser

∞  22 Juni 2012, 11:16

Die alte Dame NZZ hat Ihre inneren Werte – auch und gerade im Netz. Verglichen mit der ganzen News-Netz-Gruppe der Tamedia wurde bei der NZZ auch online stets die Qualität hoch gehalten, und nirgends war in Schweizer Online-Auftritten die Chance grösser, mehr als nur an der Oberfläche gehalten zu werden, wenn man sich als Leser in ein Thema vertiefen wollte.

istockphoto.com/koun

Nun will die alte Dame poppig wie ein junges Ding daher kommen im Netz und hat sich schon vor vielen Wochen einen neuen Internet-Auftritt verpassen lassen. Es ist – als Fan dieses Content-Angebots – schon sehr ärgerlich, dass dieser neue Auftritt zwar hoffentlich neue Neugierige anzieht, gleichzeitig aber wohl viele angestammte Leser verärgert. Es gibt für mich kein besseres Beispiel als nzz.ch, dass neu nicht besser sein muss:

Der graue Hintergrund für die Texte mag ja noch Geschmacksache sein, aber die Fülle der aufpoppenden Fenster, wenn man über Menu-Zeilen fährt, ist äusserst verwirrend und macht die Seite sehr unruhig. Der Wechsel der Spaltenanzahl, die dadurch uneinheitliche Anordnung der Artikel-Anrisse – alles wirkt ein wenig sehr wirr und unaufgeräumt. Das Schlimmste aber sind die ganz offensichtlich noch immer gravierenden technischen Probleme: Die Twitter-Meldungen, in denen sich die NZZ für bestehende technische Probleme, ausbleibende neue Contents oder ausgefallene Teil-Angebote entschuldigt, folgen sich Schlag auf Schlag. Es sieht so aus, als würde die Kiste nicht zum reibungslosen Laufen gebracht werden können. Das dürfte für die beabsichtigte PayWall für bezahlungspflichtige Inhalte ein ziemlicher Schlag sein, auch wenn ich nicht genau beurteilen kann, wie sich diese Probleme auf die Besucherzahlen auswirken.

Prüft man die Seite mit alexa.com#, stellt man fest, dass es bei verschiedenen Kennziffern im Monatsvergleich Zuwächse gibt – logisch, bezieht man den Neugier-Faktor mit ein, der einem neuen Auftritt immer neue Stöbernasen bringt – die langfristigen Kennzahlen weisen auf jeden Fall nicht auf einen messbaren Erfolg der Bemühungen um Modernität hin – um es vorsichtig auszudrücken. Und die ganz kurzfristigen Vergleiche zeigen einen starken Einbruch.

Das Ganze ist kein Verriss eines Internet-Projekts und der Leute, die dahinter stehen. Es ist mehr eine Frustmeldung eines Lesers, der die NZZ online bisher zu seiner liebsten Lektüre gezählt hat, ob der neuen Gehversuche aber so ganz langsam die Lust verliert: Hier hat sich ein traditionsbewusstes, im Print langsam sich veränderndes, konservatives Medium versucht, es online ganz anders zu machen und eine verpasste Schrittweise Entwicklung mit einem Luftsprung zu kompensieren. Meiner Meinung nach ist daraus ein Kriechgang geworden, den man nun öffentlich begleiten kann… das ist, in dieser Art und Weise und über eine schon so lange Zeitspanne ziemlich einmalig.