Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Das Geschenk Natur

∞  31 August 2009, 06:51



Der Teich schimmert gelbgrün. Die Karpfen pflügen träge durch das stehende Wasser und bleiben dabei ganz knapp unter der Wasseroberfläche. Jede Minute wird die Ruhe irgendwo unterbrochen, wenn ein Fisch aus dem Wasser schnellt und schwer auf den grünen Teppich zurück klatscht. Ich vermag dem Vorgang nicht wirklich zu folgen. Was ich wahrnehmen kann, ist einzig ein auslaufender Wasserkreisel, der sich danach über der Stelle ausbreitet und langsam verläuft, bis die zwingende Ruhe des Teichs auch an diesem Flecken wieder die Oberhand gewinnt und sich die Sonne in einem blinden grünen Spiegel bricht.

Grillen zirpen. Am Abend, denke ich, wird der Kauz wieder rufen. Ich freue mich darauf. Eine Fliege wandert das Liegepolster hinauf, fett und schwer. Viel schwerer und größer ist sie als die Exemplare in Zürich.

Dies hier ist ein Ort, an den ich immer mal wieder zurück kehren darf. Er ist privat. Ein Refugium. Eine Idylle. Von Menschenhand geschaffen, mit viel Sinn für die Natur. Aber es ist kein Ort, der entdeckt werden muss. Ich kenne ihn, ich weiss, was mich erwartet, ich sehne mich manchmal danach. Aber, der Natur abgetrotzt, ihr abgeschaut und nachgebildet, selbst wieder Natur geworden und mit viel Sinn zu diesem Zweck auch gepflegt, gibt dieser Flecken Erde auch viel Arbeit. Wie es wohl sinnvoller und Mass haltender Teil jedes privaten Naturparadieses ist, jeder “Kultur-Fläche”, ist der Preis dafür auch viel Pflege. Und vor allem ist der Dank ein ganz anderer, wenn Du da sitzt und Dir des Glücks dieses Fleckens wieder bewusst wirst, als wenn Du auf einer Wanderung unverhofft an eine traumhaft unberührte Ecke gelangst. Letzteres ist unverhofftes Geschenk, von fremder, übergeordneter Stelle, eben von Schöpferhand gepflegt und dargebracht. Ich werde diesen Flecken nie besitzen noch ihn für mich beanspuchen können (auch nicht wollen). Ich teile ihn gern. Aber ich möchte ihn nicht unter vielen Menschenbeinen sehen. Er muss ein bisschen mein Flecken bleiben, mein Geheimnis, und ich darf dafür auch immer wieder kommen. Muss keine Ansprüche anmelden noch Eigentum erwerben. Es liegt in diesem Moment an meinem Weg und darf mir eine grosse Freude sein. Ob einmal oder immer wieder – das hängt davon ab, wie sehr es mich dahin zurück zieht und ob ich den Weg dafür wieder unter die Füsse nehme.

“Was will ich eigentlich sagen?” frage ich mich gerade selber. Ich glaube, ich versuche das Gefühl, ja, das Wissen auszudrücken, dass man kein Stück Natur wirklich besitzen kann. “Meinen Baum” gibt es nicht. Das Gefühl, einen Flecken Natur zu besitzen, ist aberwitzig. Man kann ihn wohl höchstens anvertraut bekommen. Wenn ich einen Baum pflanze, so entsteht an ihm vom ersten Moment an jede Menge Leben, das sofort jenseits aller mir vorstellbaren Grenzen sich vernetzt, verbindet, in alle Richtungen wächst. Ich kann ihn und sollte ihn wohl auch hegen und pflegen, diesen “meinen” Baum, auf dass er mein Lehrer werde und mir zeige, wie sehr ich selbst nur Teil eines Universums bin, das ich nie werde erfassen und ermessen können. Während ich es vermesse, dieses Universum, lacht irgendwo die Unendlichkeit gütig über mich, und vielleicht lässt sie den Vogel über mir im Geäst ein Liedchen trällern, obwohl sie weiss, dass ich wohl nicht zu bemerken vermag, wie sehr diese Laute mir zugedacht sind.

Nur Mut: Pflanzen Sie trotzdem Bäume! Oder stellen sie wenigstens sicher, dass sie nicht gefällt werden. Wir brauchen gar nicht so viel Wohnraum. Wir bräuchten aber viel mehr Lebensraum.


Gedanken zur letzten Augustwoche – Ferien, die auch ein Fragen nach den Aufgaben waren