Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Das Gemeinschaftswerk namens Dienstpflicht

∞  16 Januar 2013, 15:52


istockphoto.com/lordalea: Teamwork and support

Der lieberale Think Tank avenir suisse [1]denkt in seinem neuesten Buch “Ideen für die Schweiz – 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen” [2] über die Schaffung einer allgemeinen Dienstpflicht nach, wahlweise zu leisten in der Armee, im Bevölkerungsschutz oder in sozialen Aufgabenfeldern für die Gesellschaft – von Männern und Frauen.

Er geht sogar noch weiter und will auch Ausländer mit qualifizierter Niederlassungsbewilligung C mit einbeziehen. Damit erwischt er praktisch alle Parteien auf dem falschen Fuss und erntet entsprechenden Hohn bis rüde Kritik. Angemerkt wird reflexartig, dass die Frauen Kinder gebären und damit schon genug für die Gesellschaft leisten würden, dass man Ausländer rechtlich nicht zu einem solchen Dienst verpflichten könne und gar nicht genügend Arbeit als Angebot vorhanden wäre, und da, wo es eines gebe, z.B. im Pflegebereich, würde eine solche Einrichtung noch mehr auf die Löhne drücken.
Rechts der Mitte stehende Politiker ärgern sich nicht zuletzt über den Zeitpunkt: Denn im Herbst stimmt die Schweiz über eine Volksinitiative der GSoA ab, welche die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht fordert.

Avenir Suisse geht es um die Frage, wie die Essenz der Milizarmee in eine ganzheitliche Betrachtung einer sich wieder vermehrt solidarisch bewährenden Zivilgesellschaft übergeführt werden kann. Die Vorschläge gehen weit, sehr weit, und praktisch zu jedem Einzelaspekt lässt sich leicht ein ABER formulieren. Ein sehr schnelles Aber. Tatsache aber bleibt, dass wir neue Bekenntnisse zum Wesen unserer Gesellschaft brauchen – und wir dieses auch mit Haltung und einer konkreten Struktur untermauern müssen, in dem wir gemeinschaftliche Beiträge leisten. Vielleicht finden gerade Frauen auf diesem Weg eher Anerkennung, wenn ihnen zum Beispiel Elternzeit bei der Fragen nach diesem Dienst angerechnet wird.

Ich hoffe, die Debatte bleibt lebendig, denn zu meiner Jugendzeit haben sich Armeedienstunwillige nur mit der Frage beschäftigen können, wie sie eine Dienstuntauglichkeit konstruieren könnten – es gab nicht mal einen Zivildienst als Ersatz. Den Gedanken, alle geimeinschaftlich an der Substanzerhaltung der Zivilgesellschaft mit einem Diensterfordernis, breit und den Talenten einigermassen angespasst, zu beteiligen, finde ich in dieser Ausgestaltung mutig. Der Think Tank macht hier genau das, wofür er gedacht ist: Er denkt voraus. Irgendwie hoffe ich, dass wir ihm ein Stück weit folgen werden. Und nicht erst dann, wenn niemand mehr sich an diese ursprüngliche Idee erinnern kann.
Dass sich gerade Frauen daran stören, hier auch noch in eine Verpflichtung zu geraten, kann ich verstehen – setze ihm aber den Gedanken entgegen, dass Frauen im Grunde in der Privatwirtschaft längst nach diesem Prinzip agieren: Sie wollen den eigenen Part als Arbeitnehmerinnen übernehmen, nach gleichen Massstäben beurteilt werden. Sie wollen genau die Form an Anerkennung, die eine berufliche Anstellung verspricht.

Es ist vielleicht nicht so falsch, dass wir gerade dann, wenn wir solche Ideen diskutieren, viel eher auch zu Lösungsansätzen kommen, wie denn umgekehrt die gleiche Gesellschaft dafür besorgt sein kann, dass Frauen wie Männer auch als Väter und Mütter der Diversität ihrer Aufgaben und Bedürfnisse folgen können.

Es gibt tausend ungelöste Fragen – aber darüber deswegen nicht zu diskutieren, dürfte auch am Willen der Bürger vorbei zielen: “20 Min” hat im eigenen Artikel [3] heute eine Umfage laufen, und nach dem vorläufigen Ergebnis um 15h30 findet nur ein knapper Viertel der Antwortenden die Vorschläge “absoluten Blödsinn”, mehr als 70% machen aber klar, dass über solche Modelle diskutiert werden sollte.

Nun denn, die Gedankenwolke ist gebildet. Sehen wir, was daraus wird.

___
[1] Webseite avenir suisse
[2] Ideen für die Schweiz – 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen
[3] 20Min – Dienstplficht für alle – kein Bedarf