Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Das drohende zu Spät

∞  3 Februar 2011, 18:31

Sind Sie pünktlich? Oder kann man verlässlich davon ausgehen, dass Sie eine Viertelstunde zu spät sind? Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, warum Sie pünktlich sind – oder eben nicht? – Zudem noch ein paar philosophische Überlegungen.



Es gibt Menschen, die sind so pünktlich wie ein Uhrwerk. Die meisten von ihnen fahren vor dem Termin nicht drei Runden extra um den Block, um nicht zu früh zu erscheinen. Sie sind einfach zur Zeit da und haben das „irgendwie im Blut“. Es wird Sie vielleicht erstaunen: Wenn Sie eine Wegstrecke von einer halben Stunde zu fahren haben, so muss eine Menge schief oder besonders rund gehen, dass die Zeit fünf Minuten kürzer oder länger wird. Natürlich gibt es Strecken in Innenstädten, für die das nicht gilt, natürlich kann es Unvorhergesehenes geben – aber in 95% der Fälle ist Zuspätkommen nicht auf so was zurück zu führen. Zu spät kommt man, weil man zu spät losfährt. Ganz einfach.
Interessant ist also nicht, was auf dem Weg geschieht, sondern davor. Was geschieht mit mir, wie in einem Film im immer gleichem Muster, bevor ich aufbreche? Was setzt die Tatsache, dass ich „los muss“, für Denkmuster in mir frei? Ich werde von einer Arbeit weggezerrt? Noch rasch was büscheln, damit es danach erledigt werden kann. Noch rasch eine Mail schreiben, dass sie danach nicht vergessen geht. Zuvor haben wir uns da schon unzählige Male vergessen, als uns genau dieses Büscheln und dieses Mail so was von egal war. Und vielleicht, wenn ich dann schon auf dem Weg bin, dann kann ich ja noch rasch im Vorbeigehen…
Es ist, als wäre uns die Zeit, der Weg, zu schade. Als begänne der Termin, den wir eingegangen sind, erst, wenn wir da sind. Breche ich andere Arbeiten aber rechtzeitig ab, kann ich sie stehen lassen, für diesen kommenden Termin, so bekomme ich die Chance, mich zu sammeln, mich dem Neuen, dem Bevorstehenden zu widmen und mich darauf zu konzentrieren. Anderes muss warten. Darf warten. So kann man es nämlich auch sehen.
Wir alle führen ein Leben, in dem es unweigerlich immer wieder, und je älter wir werden, für um so mehr, zu spät ist. Auch hier gilt: Es ist etwas anderes, ob ich einer Sache keine Chance gegeben habe, weil ich gar nicht bereit war, ihr Zeit zuzuordnen, oder ob Geschick und Umstände bestimmen, dass dafür keine Zeit sein sollte – oder nur viel zu wenig.
Spät dran sein im Leben ist bemühend. Man hechelt dann immer hinter dem Augenblick her.
Rechtzeitig sein – oder einen Sprung in diese Richtung machen, erfordert manchmal auch einfach, dass man seine Ziele revidiert. Weniger in mehr Zeit. Aber dafür ganz. Das ist auch eine Erfolgsformel.
Es ist übrigens gar nicht nötig, Pünktlichkeit mit Höflichkeit gleich zu setzen – und also für andere pünktlich sein zu wollen. Das ist zwar sehr wohl aufmerksam, für sich genommen aber kein Segen. Wenn ich nämlich zu spät komme, obwohl ich zeitig war, so darf und soll das Zuspätkommen auch keinen Stress machen. Rechtzeitig sein ist nichts, was uns von aussen bestimmt wird. Wir machen das mit uns selbst in unserem Inneren aus.

Nachtrag:
Es ist für Pünktliche übrigens überhaupt nicht schwer, Unpünktliche gern zu haben. Sie können darin durchaus den Charme der Zerstreuung sehen – und sind pünktlich zur Stelle, um den lieben Menschen mit Aufmerksamkeit zu unterstützen – und so ankommen zu lassen.