Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Dann schreiben wir mal weiter drauflos

∞  4 März 2010, 20:11

Es gibt oft nichts zu sagen, aber zu schreiben ist eigentlich immer etwas. Und wenn nur dies, dass es nichts zu sagen gibt.

Ich habe nie ein Buch geschrieben. Ich habe es nie ernsthaft versucht. Wahrscheinlich genau deswegen: Ich würde einfach anfangen. Eine Figur vielleicht im Kopf, kaum eine Handlung. Vielleicht nur eine Stimmung. Die Schriftstellerin Milena Moser schreibt so, sagt sie. Zumindest beginnt sie so.
Ich könnte es wohl nur so, und doch kann ich es nicht. Ich würde mich verschreiben, verrennen, verzetteln, im Nichts verlieren vielleicht. Mag sein, dass das zu beschreiben wäre, aber wen sollte es interessieren?

Reicht es immer aus, für sich zu schreiben? Und was bedeutete dieses “sich?. Eine Menge, wenn das Ego aussen vor bleibt, wofür es gar nicht schlecht ist, wenn kein Publikum dabei ist. Und doch läuft alles darauf hinaus, dass das, was man schreibt, am Ende auch gelesen wird. Gehört also zum Schreiben auch die Vermessenheit, zu glauben, man hätte etwas mitzuteilen?
Aber halt: Genau so gut könnte man fragen: Warum rede ich? Warum teile ich mich mit?
Ja, ich habe etwas mitzuteilen. Wir alle haben es. Weil wir Teil eines ein Stück weit gemeinsamen Erlebens sind. Wir haben in letzter Zeit über Urheberrecht gesprochen, über Ideen, welche nie, streng genommen, neu sind. Alles ist schon gedacht worden, und unter nichts leidet unsere Zeit wohl so sehr wie unter diesem Eindruck. Alles schon da gewesen. Auch jedes Scheitern. Und weil alles schon bekannt ist, schweigen wir? Nein. Aber vielleicht reden wir schneller leichthin daher. Wir palavern eher, als dass wir diskutieren. Sprechen wir auch mehr nach, als dass wir selber denken? Sind wir zu Zusammenfassern geworden und trauen uns kein Deuten mehr zu?
Warum kann etwas genial sein, Kunst, das als Patchwork fremde Schnipsel aneinander reiht, die zu einem Ursprünglicheren Ganzen gehörten?

Sind wir in der grenzenlosen Weite der Informationsfülle so verloren, dass wir im Bewusstsein, dass auch das gewaltigste Werk, das wir lesen, sehen, hören würden, uns nur für Augenblicke aus den zahlreichen Gefangenschaften unserer Hautschichten ausgraben könnte, bevor unsere “Aufmerksamkeit” von neuen Reizen weiter gelockt würde? Die nächste Aufregung folgt bestimmt, so künstlich wie die letzte, aber wir hangeln uns daran weiter in einer Welt, die immer virtueller wird, immer entrückter von dem, was das Leben eigentlich wäre. Gestorben wird noch immer ohne WLAN-Verbindung. Nur so zum Beispiel. Geliebt hoffentlich auch. Widerspruch? Ja. Und mit Recht. Alles ist uns näher als früher, aber statt dass wir uns wirklich nahbar und fühlbar machen, statt dass wir leben, erleben wir die Erzählung des Lebens immer virtueller. Vielleicht ist ja das ein Geheimnis des Schreibens:
Dass davor und danach und damit auch während dem Schreiben einer ein wenig lebt. Intensiver, ehrlicher, verrückter, oder auch einfacher, ruhiger, unspektakulärer, als… ja, als wer denn? Als Sie?
Ja, lesen Sie, erzählen Sie, reden Sie selbst auch. Und bedenken Sie sich. Fühlen und lieben Sie das, was Sie haben. Ihre eigenen Wahrnehmungen, Empfindungen, den Puls Ihres Fühlens und die Basis Ihrer Stimmungen: Das ist nicht selbstverliebt. Das ist der Kompass, an dem sich alles ausrichtet. Der Kompass sind Sie. Ihr Inneres und das, was Sie sich sagen lassen wollen. Nur davon können Sie lesen. Und nur davon hat jemand geschrieben. Von seiner Nähe oder Fremde. Von einem Schritt unter tausenden, neben den Schuhen oder in zu grossen. Wir suchen alle, und obwohl wir oft nicht so genau wissen, was, denken wir zumindest, wir wüssten, wie es sich anfühlen sollte, wenn wir es gefunden haben.
Tja, und etwa so sitze ich vor einem leeren Blatt Papier.