Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Danke sagen, Kind!

∞  7 April 2013, 22:02

Dass Kinder enttäuscht sind über ein Geschenk, das, ausgepackt nicht ihren Erwartungen entspricht, soll vorkommen. Wie damit umgegangen wird, darüber sollte aber schon diskutiert werden können, oder?

istockphoto.com/MHJ

Mich erstaunen immer wieder Erzählungen aus dem Kinderalltag, oder, besser gesagt, aus dem Elternalltag zu diesem Thema. Wenn ich Eltern höre, die mangelnden Respekt ihrer Kinder und fehlende Erziehung dann mit dem Hinweis auf die starke Persönlichkeit des Kindes übergehen, frage ich mich, ob ich selbst so hätte Kind sein wollen? Unvorstellbar wäre es in jedem Fall gewesen, dass ich mich je vor der Oma an Weihnachten über das immer gleiche langweilige Weihnachtsgeschenk beklagt hätte.

Mutter wusste natürlich, dass es nicht besonders sexy ist, Wollsocken geschenkt zu kriegen, die man nicht mehr trägt – aber ich vergass nie, dass ein Geschenk ein Geschenk ist, eine Gabe, und dass es dafür weder eine Selbstverständlichkeit gab noch einen Grund, nicht doch Anstand zu wahren. Und so räumte man eben das Geschenkpapier fort, während Vater die erneut komisch bemusterte Krawatte zusammen rollte – gerade so, als wäre es irgendwie fremd empfunden worden, das Ritual hätte plötzlich gefehlt. Wenn man denn Einfluss nehmen wollte, so tat das Mutter hinterher, indem sie die Sache fürs nächste Jahr besprach und zu lenken versuchte.
Aber: Ein Geschenk blieb ein Geschenk.

Heute ist das doch an sehr vielen Orten anders. Kinder plärren los, wenn sie nicht das Erwartete bekommen, und Väter zucken nur mit der Schulter und stellen fest, dass Sohnemann eben weiss, was er will. Ich frage mich, ob das so laufen muss – und was das mit den Kindern macht? Vor allem, wenn wir uns bewusst machen, wie viel mehr die Kinder heute besitzen, was ihnen an Spielzeug heran geschleppt wird, während wir früher erst die Fahrräder der älteren Brüder ausfuhren, bevor es was Eigenes, was Neues gab, wenn überhaupt. Aber was haben wir für Feste gefeiert bei einer neuen Errungenschaft! Wie konnten wir die hüten und begluckern und stolz herum zeigen. Wir bekamen eine Beziehung zu den Dingen, hatten unsere Lieblingsspielzeuge, die mit abgerissenen Ohren in der Armbeuge verblieben, als wäre es ein kostbares Porzellanpüppchen.

Ich bin dankbar, dass in der Zeit meiner Kindheit eine Genügsamkeit herrschte, eine Dankbarkeit für das, was wir hatten und bekommen durften, eine Freude an kleinen Dingen, eine Beschäftigung in ganzen Gruppen von Kindern mit Spielthemen, die wir uns selbst zu ganzen Welten zusammen sponnen. Ich hatte eine extrem farbige, reiche und lebendige Kindheit und ich lernte, dass es dazu wenig brauchte. Nein, falsch, ich erfuhr gar nicht, dass es ganz anders sein könnte, ich hatte alles, und bekam vor allem Zeit und Raum. Den besten Degen, den ich je besass, formte mir mein Paps aus einem Haselrutenstock, und der Griffschutz wurde mit einem Kunststoffdeckel einer grossen Ovomaltinendose geformt. Damit zog ich in den Wald und focht mich zum Helden – und zu Hause liess man mich ziehen, ohne zu erwägen, den Gedanken NICHT aushalten zu müssen, ich könnte mir oder jemand anderem ein Auge ausstechen. Es war undenkbar, nicht dabei zu sein bei der Horde.

“Falsche” Geschenke gab es nicht. Es blieben Geschenke, und damit umgehen zu lernen, gehörte in geeigneter Form zu jedem Alter als Kind mit dazu. Meinem Vater wäre es nie in den Sinn gekommen, seine Eltern für ein unbedachtes Geschenk für mich zu tadeln, schon gar nicht vor mir – oder mir eine Schnute duchgehen zu lassen. Mit anerzogener Falschheit hat das nichts zu tun. Ich lernte ganz natürlich, damit umzugehen und Strategien zu entwickeln, meinen Wohltätern – und das bleiben sie für mich – anzudeuten, was mir nächstes Mal besser gefallen würde. Mir ist nie selbstverständlich geworden, etwas zu bekommen. Es geht dabei auch nicht darum, ob einem etwas zusteht oder nicht: Was man erhält, ist immer eine Gabe, hat einen Wert, und das ist zu ehren. Noch sind wir nicht zu dumm und zu ignorant, um das nicht erkennen zu können. Noch.