Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Dank Thomas Matter zum Matterhorn

∞  25 September 2011, 13:23

Ein Wahlkampfskandal. Wie Thomas Matter per Wettbewerb stimmen fängt – und dabei von Wirtschaftsgrössen unterstützt wird.


Am 23. Oktober wird das Schweizer Parlament neu gewählt. Es ist also so etwas wie Wahlkampf in der Schweiz. Auch bei uns gibt es Plakatzäune am Strassenrand, Wahlsendungen und Radiobeiträge zu den Wahlen. Und hie und da einen Hinweis über die unterschiedlichen finanziellen Mittel, welche die Parteien für den Wahlkampf einsetzen können. In Parteien wie der FDP gibt es wohl eine Faustregel, nach der ein Kandidat, will er sich für den Nationalrat mit echten Erfolgsaussichten bewerben, plusminus 100’000 CHF aus der eigenen Tasche investieren sollte. Wie man mit fähigen Kanditaten verfährt, welche dieses Kleingeld nicht aufwerfen können oder wollen, ist mir nicht bekannt. Wahrscheinlich stellt sich diese Frage nach den objektivierten Wert-Massstäben der FDP gar nicht. Aber nicht nur die privatwirtschaftliche Wahlkampffinanzierung ist (von der Mitte bis rechts) ein Problem der Demokratie: Zunehmend ist es auch das Instrumentarium, das mit diesen Mitteln angewendet wird, wie die Post beweist, die Thinkabouts Wife am Freitag bekommen hat.

Es ist ein kleines Päckchen mit froher Botschaft von Thomas Matter. Er kandidiert für den Nationalrat und wirbt für unsere Stimme, indem er im Zusammenhang mit dieser Stimmabgabe gleich einen Wettbewerb veranstaltet:

Schreiben Sie Thomas Matter 2x auf Ihre Liste und gewinnen* Sie ein Wochenende unter dem Matterhorn:

1 Übernachtung für 2 Personen in Zermatt

*Teilnahmeberechtigt sind alle Stimmbürger aus dem Kanton Zürich, unabhängig von ihrem Wahlverhalten. Die Anzahl der Gewinner ergibt sich aus der Anzahl der Listenplätze, die Thomas Matter bei den Wahlen am 23.10.2011 gutmacht. Springt Thomas Matter von seinem 25. Listenplatz auf den 1. Platz, dürfen sich 24 Gewinner aufs Matterhorn freuen.

Wie Sie Thomas Matter am besten wählen, finden Sie auf www.persönlicheSeite.ch

Noch Fragen? Das Sternchen ist süss. Es suggeriert nämlich die dem Gesetz genügende scheinbare Korrektheit, nachdem man auch eine Gewinnchance hat, wenn man nur die Karte einsendet, aber ganz andere Kandidaten wählt. Aber der Hinweis muss dann schon sein, dass mehr Bürger zum Matterhorn fahren, je besser Thomas Matter abschneidet…

Dafür werben in einer zusätzlichen Frohbotschaft auch Philippe Gaydoul, Beatrice Tschanz, Peter Spuhler und Hans Geiger. Alles bekannte Wirtschaftsgrössen.

Im ganzen Material wird von der Liste 1 gesprochen, auf der man Matter findet, und seine persönliche Wahlnummer erwähnt, die man einsetzen muss. Dass es die Liste der SVP ist, ist der ganzen Briefsendung nicht zu entnehmen. Die Partei hat damit also überhaupt nichts zu tun.

Thomas Matter ist Banker und hat seine unliebsamen Erfahrungen gemacht. Dabei ist ihm bestimmt auch Unrecht im Zusammenhang mit der “Swissfirst”: http://www.finews.ch/news/banken/1425-fall-swissfirst-noch-ein-sieg-fuer-thomas-matter widerfahren, das durch juristischer Endsiege nicht ungeschehen gemacht werden kann. Was er hier allerdings versucht, macht ihn um Stimmenfänger mit Taschenspielertricks, und man kann sich über sein Demokratieverständnis und das seiner Supporter wirklich nur wundern.

Uns Bürger muss diese Entwicklung alarmieren. Thomas Matter kann seinen Wahlkampf selbst finanzieren, er bräuchte noch nicht mal Mitstreiter dieser Kategorie. Über viele eingesetzte Mittel und Kanäle kann man nur mutmassen – dass aber mit dieser Vehemenz und Unverschämtheit eine Wahl zu einem Kirmes-Jahuu mit Gewinnchancen reduziert wird, ist nicht nur befremdend, es ist peinlich und im Grunde ein Skandal.

Der Sendung lag übrigens noch ein kleines Präsent bei, das uns zeigt, wo Thomas Matter sich um uns sorgt: Er will uns das Einkaufen erleichtern und sendet uns einen Einkaufswagen-Jeton. Für grössere Erleichterungen beim Einkaufen müssen wir ihn schon wählen, damit er diese für uns in Bern umsetzen kann, wenn wir ihn in den Nationalrat gevotet haben. Gegen den EU-Beitritt ist er übrigens auch, weil meine Frau dann beim Einkaufen mindestens 15% Mehrwertsteuer entrichten müsste statt 8%. Ich natürlich auch. Ich muss sagen, an dieses Argument habe ich in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der Eurozone wirklich nicht zuerst gedacht…