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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


China im 163. Rang

∞  28 April 2008, 16:48

Wer dieses Blog immer mal wieder liest, der weiss, wie sehr mich die Tibet-Frage beschäftigt und wie eindeutig ich das Verhalten Chinas in dieser Frage verurteile.
Hingegen weiss ich bis heute nicht, ob ich es gut oder schlecht finden soll, dass die Olympischen Spiele in Peking durchgeführt werden.

Gestern war Viktor Röthlin, einer der weltbesten Marathonläufer im Sportpanorama zu Gast, und er wurde dabei auch zur Rolle der Sportler in diesem Konflikt befragt. Ich hätte seine Antworten nicht gebraucht um schon längst zu wissen, wie unsäglich schäbig es ist, in dieser Frage den Sportlern überhaupt eine Verantwortung zuzuschieben, während sich schon ganz “normale”, unbeteiligte Bürger schwer tun, ihre Position zu finden.

Ein Athlet hat in seiner Karriere, je nach Sportart, realistisch gesehen ein bis drei Mal die Chance, an einer Olympiade teil zu nehmen. Da kann ich persönlich am Schicksal der Tibeter noch so leiden: Es käme mir nie in den Sinn, von einem Sportler zu erwarten, er würde sich seine Zielsetzung und Fokussierung auf den Sport in irgendeiner Weise durch die Menschenrechtsprobleme beeinträchtigen lassen.

Es sind nicht die Sportler, die der Vergabe der Olympiade nach Peking zugestimmt haben. Es sind die Funktionäre, die allen Ernstes behaupten können, die Olympische Bewegung, die sie repräsentieren, hätte keine politische Dimension, nachdem man bei der Zuteilung der Spiele noch weis machte, diese wäre nicht ohne die Zusage Chinas erfolgt, in Sachen Menschenrechte Fortschritte anzustreben. Dass in der Folge nichts davon zu erfahren war, welche konkreten Ziele denn dabei angestrebt würden und bis wann, hat weniger mit dem fehlenden Praxiswissen in Sachen Politik der “Olympiker” der Rentenklasse zu tun, als mit dem Alibi-Fähnchen, das eh vor dem Gesicht flatterte und einen Durchblick eh verunmöglicht hätte.

Als Athlet würde ich mir allenfalls Aktionen oder Statements nach meinem Wettkampf überlegen. Aber auch dies ist diskutabel, denn ich tangiere damit ganz sicher Vorbereitungen und Abläufe anderer Athleten.

Will ich auch nur das kleinste Symbol setzen, so komme ich unweigerlich mit der olympischen Verordnung in Konflikt, die mittlerweile alles regelt, auch und gerade rund um die Siegerehrungen und Pressekonferenzen. Dass diese Bürokraten allen Ernstes verlauten lassen können, es wäre Sache der Athleten, allenfalls Zeichen zu setzen, ist ein Verrat an jenen Protagonisten, die schlussendlich für die Pfründe dieser gut genährten aber niemals satten Herren sorgen.

So oder so: Die Sportler werden zu Hause eine Menge zu erzählen haben, und bei weitem nicht alles wird negativ sein. Rund um die Spiele wird eine Riesenfreude herrschen. Nervös werden ausserhalb der Wettkämpfe nur die Offiziellen aller Seiten sein.
Die Meinungs- und Pressefreiheit gedeiht in solchem Umfeld erfahrungsgemäss ganz und gar nicht. Dafür muss man nicht unbedingt nach Peking zu Olympia reisen. Es reicht, bei uns nachzulesen, was es bedeutet, ein Interview mit dem chinesischen Botschafter führen zu wollen. So berichtet Katia Murmann in der Zeitung SONNTAG (Print) von den Auflagen des Herrn Dong Jinyi, Chinas Botschafter in Bern, die in mehreren Punkten sehr aussergewöhnlich sind:

1) Wenn es denn nötig sein sollte, ein persönliches Interview zu führen [man kann es fühlen, wie unnötig das doch ist, und in der Tat:], so stelle man dabei exakt die gleichen Fragen, die zuvor schon schriftlich eingesandt wurden, ohne jegliche Änderung.

2) Die Journalistin wird verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Worten als Antwort abzudrucken, und also ist es “erforderlich, dass die Antworten des Befragten vollständig und ohne jede Kürzung veröffentlicht werden”.

Im Jahr 2007 belegte die Volksrepublik China in Sachen Pressefreiheit auf dem Index der Organisation Reporter ohne Grenzen Platz 163.
Gott sei Dank, haben sich laut Peter Achten die Arbeitsbedingungen für chinesische Journalisten in China aus wirtschaftlichen Gründen in den letzten 20 Jahren verbessert, sonst wäre China auf der besagten Rangliste wohl noch gar nicht aufgetaucht.

[Bildquelle: China ein Albtraum ]