Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Bummeliger Streifzug durch Zürich

∞  18 Mai 2012, 18:08

Wieder mal ein Streifzug durch Zürichs Altstadt. Kirchenbesuche. Mein geliebter St. Peter, von dem die meisten nur den markanten Turm mit dem riesigen Ziffernblatt kennen. Ich liebe seinen Vorplatz und die Atmosphäre im Kirchenschiff. So hell, so leicht, und gleichzeitig so reich in den Stukkaturen. Und genau so oder ganz ähnlich, wenn auch urbaner, moderner, die Predigerkirche im Niederdorf. Und dann der Gang auf den Lindenhof, der Blick, der Limmat entlang, die knorrig kauzigen alten Männer, die ins Schachspiel vertieft sind und gleichzeitig ein wenig den Auftritt auf ihrer Bühne geniessen. Überall Touristen, und ich mitten drin: Dies ist meine Stadt. Ich besuche sie nicht nur. Ich darf an ihrer Peripherie wohnen und immer wieder hierher kommen. Es ist eine wunderbare Stadt.

Mein Blick wandert in der Altstadt, im Nieder-, vor allem aber im Oberdorf, immer wieder über die alten Dachgiebel, bleibt an Blumenkästchen vor verträumten Fenstern hängen, und ich ertappe mich beim Träumen, denn der Gedanke kommt mir immer wieder: Hier eine Schreibstube haben, einen ständigen Blick auf das flanierende Ferien- und das zielgerichtete Arbeitsleben, das wäre es!
Träumen darf man ja, und man darf den Traum dick aufblasen, wenn man das Seifenwasser selbst angerichtet hat.

Dann beobachte ich ein deutsches Pärchen, das sich gemeinsam selbst vor dem Panorama zu fotografieren versucht. Ich helfe gern. Ich weiss, wie schön es ist, als Tourist Hilfe zu bekommen.

Es ist der Freitag nach Auffahrt. Ein klassischer Brückentag, und die Touristensaison hat eh begonnen. Kein Geschäft, durch dessen Schaufenster ich blicke, ist leer, und in der Altstadt gibt es so manches alt eingesessene Geschäft, bei dem ich mich wundere, wie es bei diesen Mieten bestehen kann. Aber hier gibt es echte Stammkundschaft – und eine zahlungskräftige Laufkundschaft auch. Und ich höre viel hochdeutsch. Neue Bewohner hat die Stadt, und sie sind meist zahlungskräftig. Viele junge Menschen kommen mir auf der Bahnhofstrasse mit vollen Einkaufstüten entgegen – auf denen alle bekannten Labels prangen. Es gibt hier alles zu kaufen. Was früher die Mittelschicht für die Wirtschaft war, wird heute von der oberen Mittelschicht konsumiert. Diese Verschiebung kann ich nicht belegen, aber ich befürchte sie. Und wenn der Wirtschaftsmotor dadurch genügend am Laufen gehalten wird, werden die Alarmglocken noch eine ganze Weile nicht schrillen.

Zürich IST eine schöne Stadt. Viele alte Gemäuer machen sie aus, die schon viel gesehen und viel beherbergt haben. Und noch Viele und Vieles, das nachkommen wird.