Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Brüche

∞  8 November 2007, 09:50

Wir sind um halb vier zurück auf dem Campingplatz, wo unser Buschcamper vorgepackt auf uns wartet: Wir wollen noch nach Wilmington, wo die Possums so an die Menschen gewöhnt sind, dass sie gefüttert werden können.
Normalerweise startet man von hier zu Touren in die Alligator George, die sehr bekannt ist. Wir wissen allerdings, dass die Zufahrtsstrasse dahin zur Zeit saniert und nur am Wochenende passierbar gemacht wird. Also nix George: Wir finden, dass ein Day at Leasure gerade richtig kommt, bevor wir zwei Nächte in Buschcamps versinken, ohne Bequemlichkeiten – und anschliessend in drei Tagen 1500 km Überbrückungsstrecke meistern wollen.

Von Melrose nach Willmington schaffen wir es, uns auf den 25 km Wegstrecke gleich zwei Mal falsch zu orientieren…
Vielleicht war das ein schwacher Versuch der Warnung:
Der Beautiful Valley Caravan Park ist nämlich praktisch ausgestorben – die geschlossene Alligatorgeorge drückt schwer aufs Geschäft.

Die Verwalterin ist ein reichlich deroutiert wirkendes Frauenzimmer, das bei jeder Frage sekundenlang in Bewegungslosigkeit erstarrt, bevor eine mehr oder weniger lustlose bzw. unpassende Antwort folgt.

Dass wir trotz geschlossener George für zwei Nächte buchen, lässt sie nur ein wenig gesprächiger werden und von ihren Possums erzaehlen, die ihre Babys wären.

Einen Standplan gibt es nicht – wir können uns hinstellen, wo wir wollen. Oder auch nicht: An den schönsten Fleckchen prangt ein Schild:
“No Vehicles on Grass”
Also zurück ins Office. Davor sitzt meine Freundin mit einem dampfenden Mug Kaffee in der Hand und einem regungslosen Mann neben sich auf dem Bänckchen, der sich hier ganz offensichtlich verschenkt vorkommt.

Ich schildere mein Problem: Bleibe ich auf dem Strässchen stehen, reicht das Stromkabel nicht zur Steckdose. Ob denn das Schild wohl so zu verstehen sei, dass ich bitte mein Auto nur auf die braunen Stellen und nicht aufs frische Grün stellen solle?

Er schaut mit müden Augen durch mich hindurch und brummt nickend etwas von
“only on the gravel part please”.

Mit dieser Info marschiere ich zurueck und will das Auto auf ein derangiertes Fleckchen steuern.
Meine Beste aber meint, “gravel” wäre Schotter und damit nur das Strässchen. Wir kommen ins Diskutieren. Die bombastische Stimmung der Vermieter scheint ansteckend zu sein…
Schliesslich setze ich mich durch. Immerhin hat mir meine Navigatorin herself auf einer hart gepressten Naturpiste gesagt, nach Karte wäre das nun eine “Gravel-Road”.

Dann stellen wir fest, dass die Stecker nicht passen – also müssen wir noch nach einem Adapterstück fragen – das wir auch bekommen, wenn auch mit der etwas beleidigend wirkenden Bemerkung, dass wir das Teil dann, bitteschön, zurück geben sollen.

Nun, ich vermute mal, es ist einfach sehr hart, durch äussere Umstände um seine Kunden gebracht zu werden – und will mich nicht länger ärgern.

Dann machen wir einen kleinen Spaziergang zum Stoney-Creek, an dem man entlang laufen können soll – immer dem unbestimmten Wink meiner Vermieterin vertrauend. Die Landschaft hier ist allerdings wirklich lauschig, auch wenn der Creek ebenfalls kein Wasser hat – oder fast keins.

Also zurück zum Wagen und Zelt aufbauen. Herrlicher Platz, auf fettem, als dickes Polster einladendes Gras unter einem Baum, unter dem wir auch immer Schatten finden werden.

Ich stelle also das Zelt auf. Wie das so ist, wenn mehr Zeit ist, brauche ich auch länger. Als dann alles eingerichtet ist, alles Gerödel im Zelt verstaut ist, sehe ich, wie eine hässliche Spitze eines Spannbogens durch das Oberzelt sticht: Die Stange ist gebrochen!

Sofort Zug weg nehmen und das Oberzelt ganz lösen und sich die Bescherung ansehen: Tatsächlich, die Zeltstange ist sauber entzwei.
Also ist guter Rat teuer. Wir können das gebrochene Stückchen Fiberglas aufschneiden und von der Zeltstange lösen und diese wieder zusammen stecken. Nun ist die Stange zwar 4cm kürzer als das Gegenstück, aber das geht sich noch aus.

Wir stecken das Zelt also wieder zusammen. Das Loch im Ueberzelt ist nicht gross – Flickzeug allerdings wurde nicht mit geliefert.

Dann kochen und essen wir Pasta mit Tomatensauce, ganz klassisch, und waschen in der eigenen Spüle ab.

Es ist gerade noch hell genug, dass ThW draussen die unnatürliche Spitze im Zeltdach erkennen kann: Erneuter Zeltstangenbruch.
Und so brechen wir unter der hauseigenen Laterne das Zelt definitiv ab und richten gleichzeitig die Schlafplätze im Auto ein: Wenn unser Ruhetag so weiter geht, dann nehmen unsere Nerven reissaus.
Nun, morgen ist ein anderer Tag.

Bald, nachdem wir fertig sind, hören wir hinter uns behende Sprünge auf Blech, und dann huschen Schatten durch die Nacht. Bald darauf ist unser Baum voller Leben und die ersten grossen Augenpaare leuchten im fahlen künstlichen Licht, das wir noch stehen haben: Sie sind da wie die Botschafter der auch hier nachts viel reicheren Tierwelt, und für einmal hören wir nicht nur ihre Geräusche, sondern können von Gesicht zu Gesicht beobachten, wie äusserst geschickte feine Krallen nach der Bananenschale greifen und diese zwischen den Pfoten halten, als hätten sie dies von uns gelernt oder wir von Ihnen.

Vor allem die grossen Augen machen die Viecher einfach knutschsüss, und es ist faszinierend, wie schnell und lautlos sie sich bewegen. Bei Bedarf koennen die Possums auch beachtlich weit springen.

So geht auch dieser Tag mit einem Geschenk zu Ende.

Dies sind die Ereignisse vom Abend des 6.11.07, aufgeschrieben in Willmington, am 7.11.07 um 15:00.