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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Brady Dougan und seine (ab)gefallenen Mitarbeiter

∞  28 Februar 2014, 13:01

Brady Dougan, Chef der Schweizer Grossbank Credit Suisse, hat also vor dem US-Senat ausgesagt und sich für die 10-15 Banker seiner Firma entschuldigt, die selbstverständlich in völliger Missachtung aller internen Regeln und aus rein individuellem Antrieb amerikanischen Kunden geholfen haben, ihr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen.

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Das Problem ist ja, dass man uns gewöhnlich Sterblichen jederzeit vorhalten kann, dass wir zu wenig von der Materie verstehen, aber ich bin sicher nicht der Einzige, der sich fragt, wenn er das hört, ob ich tatsächlich der Einzige bin, der denkt, dass die Welt da für blöd verkauft werden soll? Oder vielleicht müsste man fragen, ob da am Mittwoch im Saal der Anhörung irgend ein Mensch geglaubt hat, was da zum besten gegeben wurde? Alles Taktik, mag man anfügen, und es kann sogar funktionieren, denn rein theoretisch ist es sehr wohl möglich, dass eine Gruppe von Bankern dem Geschäftserfolg dank eigendynamischer kreativer Vorgehensweise weiter nachhilft. Die Krux ist hier wohl, dass Dougan den sonst immer häufigeren Nachteil, dass man von Banken eh lausige Moralprinzipien annimmt, hier ins Gegenteil umkehrt: Was nicht konkret angeordnet wird, stillschweigend aber mehr als toleriert wird, lässt sich nicht als kriminelle Mitwisserschaft festmachen. Im Regen stehen, zumindest ohne die Kenntnis interner Absprachen, die es mit den Betroffenen ja auch geben mag, bleiben die betroffenen Ex-Angestellten, die ganz bestimmt nicht wenig Druck bekamen, immer noch mehr neue Kundengelder zu gewinnen.

Es dürfte ja nicht nur bei der Credit Suisse und auch nicht nur bei Schweizer Banken klar gewesen sein, dass in gewissen Segmenten explizit Schwarzgeld zu ihnen getragen wurde, und in kaum einem Kundengespräch dürfte zwischen den Zeilen nicht allen Seiten des Tisches klar gewesen sein, dass das zumindest niemanden stört.

Jetzt so betrübt im Bank zu sitzen und Asche auf das Haupt der Mitarbeiter zu streuen, ist schon ein starkes Stück, und eigentlich erschüttert daran etwas anderes, das ganz offenkundig gar nicht in Betracht gezogen wird:

So mancher Kundenberater der Bank, vielleicht auf sphärisch erdnaheren Stufen der Hierarchie, wird sich fragen, wo er denn eigentlich bleiben würde, wenn es mal hart auf hart kommt. Bei der Mafia können Gangmitglieder wenigstens davon ausgehen, dass es in letzter Konsequenz auch eine Unterstützung gibt, selbst im Knast, hier ist das ganz bestimmt nicht der Fall… Und wie sich die Mitarbeiter der Credit Suisse nach dieser Anhörung fühlen, deren Daten die CS schon zuvor an die US-Justizbehörden geliefert haben, muss man sich auch nicht lange vorstellen. Die Bank scheint sich ganz dem Kalkül zu verschreiben, dass sie nur Mitarbeiter braucht, die rein deswegen genügend motiviert sind, weil sie bei dem Arbeitgeber viel Geld verdienen können. Loyalität oder Firmenverbundenheit wird nicht erwartet – man sitzt ja tatsächlich auf einer Kante, von der man jederzeit runter geschubst werden kann.

Welche Art Arbeit da im Namen der Firma abgeliefert wird, kann man sich leicht vorstellen…

Bemerkenswert, dass sich angesichts von Brady Dougans öffentlicher Betrübnis über eigene Angestellte nun der Schweizerische Bankpersonalverband zur Wehr setzt. Der Banker verunglimpfe seine Mitarbeiter, meinen sie:

Die Lage jener CS-Beschäftigten, deren Daten in die USA geschickt worden waren, werde auch nicht einfacher. Zudem sei wenig glaubhaft, dass die Geschäftsleitung von nichts gewusst habe. Dass die Banken auf Steuerhinterziehung setzten, sei allgemein bekannt und lange ihr Geschäftsmodell gewesen, schreibt der Personalverband
Quelle: Handelszeitung.ch via mycomfor

So sorgt ein Chef einer Schweizer Grossbank also dafür, dass der Verband der Angestellten seiner Berufsgruppe öffentlich erklärt, wie sehr das Kalkül der Steuerhinterziehung Teil des allgemeinen Geschäftsmodells war. Ein bisschen Ehrlichkeit ausserhalb von Anhörungssäälen, dort, wo man sie sich leisten kann, ohne dass damit irgend etwas besser würde. Das Resultat sind zig tausende frustrierte Angestellte, die bereits auf der Strasse stehen, und desillusionierte andere, die ihren Job behalten haben. Typen wie Brady Dougan helfen den Aktionären weiter, für die innere Einstellung der eigenen Mitarbeiter sind sie Gift.