Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Boll und seine Niederlagen

∞  13 Juli 2007, 17:45

...> Die Regenwolken hingen so tief und bewegten sich so langsam, dass sich Boll von ihnen vorwärts geschoben fühlte in einen Tag, dem er nicht gerufen hatte und in dem er sich auch nicht willkommen glaubte.

So ein Tag, das wusste er, konnte gar nichts Gutes bringen.
Der kalte Wind setzte ihm trotz der dicken Jacke zu. Boll blies die Backen auf, doch die Haut blieb nass und begann unangenehm zu stechen. Er dachte an das verpasste Frühstück und vermisste den heissen Espresso, an dessen aufputschende Wirkung er sich jetzt gern erinnert hätte.
Für Boll waren das alles Beweise, die belegten, dass es keinen Sinn machte, früh morgens durch seine Stadt zu hasten. Und doch tat er es, nur weil er seiner Exfrau versprochen hatte, mit ihrem Hund, den er hasste, spazieren zu gehen in einem Quartier, das er verabscheute.

Er verwünschte sein Selbstmitleid, das sich doch nicht vertreiben liess. Statt dessen klebte es an ihm wie ein schweissnasses T-Shirt. Warum nur hatte sie ihn verlassen, einfach so, von heute auf morgen? Wenn da wenigstens ein anderer Mann der Grund gewesen wäre, aber nein, sie behauptete, er ganz allein wäre Grund genug.

Boll kickte missmutig einen vom Regenwasser vermatschten Pappbecher in den Rinnstein und holte sich dabei nasse Socken. Wut kroch in ihm hoch über seine neuste Niederlage, und darin mischte sich ein bisschen Verzweiflung, weil es ihm so schien, als bestünde sein Leben nur noch aus Niederlagen. Das konnte sich durchaus zu einer leisen Panik ausweiten, wenn sich in ihm der Verdacht ausbreitete, sein Leben wäre an sich ein einziger Irrtum gewesen. Das war ein perfekter Tag für solche Trübsal, so dass Boll seinen Schritt verlangsamte, ohne es zu merken und obwohl der Regen stärker wurde. ...>