Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Je bodenlos verliebt?

∞  10 April 2012, 22:19

Waren Sie schon jemals wirklich über beide Ohren verliebt?

Lange Jahre glaubte ich, das würden alle Menschen erleben oder zumindest einmal erlebt haben. Heute bin ich nicht mehr so sicher, nicht, weil ich mich erinnere, wie man als Teenager darauf wartet, dass “es” passiert. Und zwar so richtig. Nur: Was ist “richtig”. Wir alle, die wir von Verliebtsein sprechen, haben eine Vorstellung davon, wie sich das anfühlt. Aber vergleichen können wir nicht.

Je älter wir werden, um so mehr wägen wir dabei ab, ja längst wissend, wie sich dieser Rausch der Gefühle über die Jahre relativieren kann, so dass es immer viel mehr Herz UND Kopf braucht, um Beständiges schaffen zu können.
Gerade deswegen aber finde ich es für Menschen in der Lebensmitte unheimlich schwierig, neue Partnerschaften zu begründen. Erlebte Enttäuschungen verunsichern, geraubte Illusionen bleiben auf der Zunge liegen – wer sagt mir, dass es diesmal besser “ausgeht”?

Doch man kann ein Zusammenleben kalkulieren, aber nicht eine Liebesbeziehung. Wenn ich mich nicht einlasse, wie kann dann ein Mensch dieser eine Einzige für mich werden? Gar nicht nötig? Dann baue ich von Anfang an gegen die gemeinsame Enttäuschung vor, baue mir gewissermassen einen eigenen Luftschutzbunker im ansonsten gemeinsamen Haus.

Die Liebe wagen. Wie schwierig das doch sein kann, mit einem Leben voller Verunsicherung im Rücken. Ich glaube, Liebe muss einem einfach passieren. Im Luftschutzkeller erreicht sie mich nicht. Ich muss bereit sein, verletzt zu werden, muss ins Leben treten und den Wind fühlen wollen, den warmen, der drehen kann.
Und ich kann sie nicht aufspüren, die Liebe. Sie wird mich finden, wenn ich bereit bin – meist dann, wenn ich ohne sie sein kann, weil ich mit mir allein auch auszukommen vermag. Das Glück sucht sich nicht den Pechvogel aus – es möchte empfangen werden, willkommen geheissen. Also rate ich: Tretet vor die Tür oder legt Euch aufs Sofa – aber fragt dabei immer nach Euch und kommt mit Euch selbst aus. Dann könnt Ihr Euch auch teilen. Und müsst es nicht. Niemand muss dann Dinge an Euch leisten, die Ihr selbst nicht fertig bringt. Wer liebt, muss nicht überzeugt werden. Er möchte aber von dieser Liebe zeugen, und das Bild, das er von mir malt, hängt dann vielleicht eines Tages über dem Sofa, auf dem man einst alleine sass. Vor Jahren – oder eben noch letzte Woche.