Mein Schreiben. Täglich.

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Blog Backstage: Allerwelts- oder Themenblog? - Und wer mit wem?

∞  27 Januar 2010, 21:36

Immer wieder gibt es im Hintergrund dieses Blogs und auf Grund meiner (leider im Moment spärlichen) Kommentar-Beiträge an anderen Orten einen Meinungsaustausch rund um prinzipielle Themen und Fragen zu Blogs und zu deren Qualität – und ihren Möglichkeiten. Da man sich dabei sehr schnell in allgemeinen Betrachtungen wieder findet, sind Urteile und Einschätzungen dann leider meist sehr subjektiv, und eine Diskussion führt ins Uferlose.

Als durchaus leidenschaftlicher Debattierer, und gepackt (oder geplagt) von einer grundsätzlichen Faszination für die Anforderungen, welche eine aktive Diskussion auf einem Blog an die Moderation stellen kann, verfolge ich die Entwicklung in diesem Bereich mit grossem Interesse: Blogbeiträge zu aktuellen politischen Themen können sehr leidenschaftliche Diskussionen auslösen. Während hier solche Debatten zwar vorkommen, aber viele Beiträge eher grundsätzliche Betrachtungen anstellen und anregen wollen, gibt es in News-Netzen oder Blogs, welche die Politik und Medien kritisch begleiten, sehr viel öfter hitzige Diskussionen. Da sich dort die Kommentierenden oft nicht kennen und Wortmeldungen schon mal der Grösse des Portals wegen überhaupt in Betracht gezogen werden, ist die Summe der möglichen Motivationen dafür sehr unterschiedlich. Die Wogen gehen hoch, die Reibungsverluste können hoch sein und die Erschöpfungsverluste beträchtlich. Ein News-Portal steckt so was nicht nur weg, es lebt unter Umständen sogar davon, was selten dazu führt, dass die Artikel, welche die Debatten ins Rollen bringen, qualitativ besser werden… Für kleine Blogs aber kann eine solche Woge das Ende bedeuten, denn die Energie, die plötzlich aufgewendet werden muss, um auf die unterschiedlichsten Argumente zu reagieren – oder den eigenen Standpunkt wieder und wieder zu erläutern, kann enorm sein. Am Ende bleibt oft Frust allein übrig, weil man bezüglich des Resultats alle Illusionen verliert:

Man vermag vielleicht kaum jemanden zu benennen, den man tatsächlich zu tieferem Nachdenken veranlasst hätte, man sieht sich dem Entsetzen jener Leser gegenüber, die “Sie ganz anders eingeschätzt” haben und “so was nie von Ihnen gedacht” hätten, und man bekommt ein besseres Gefühl für die unterschiedlichsten Antriebe, welche Anstoss zu Kommentaren sein können. Hinzu kommen am anderen Ende jene Leser, die sich still verweigern und eine solche Debatte nicht wollen – und plötzlich fern bleiben. Ein Blog und sein Blogger mit Allerweltsthemen, mit einem breiten Themenspektrum, das sich danach richtet, was eben diesen Blogger ganz allgemein interessiert, scheint also gut daran zu tun, sich bei gewissen Themen möglicher Konsequenzen bewusst zu sein. Vielleicht ist ja aber auch bezüglich seiner Interessen nicht gar so vielfransig wie ich… Und wenn er ein paar Jahre durchgehalten hat und sich somit für ihn die Schwerpunkte heraus gebildet haben, über die er regelmässiger zu schreiben weiss, so wird er sich darauf vielleicht immer mehr konzentrieren, ohne dass er dadurch ein Themenblog würde, wie es ein Ressort für einen Bund einer Tageszeitung macht:
Eine Konzentration auf ein solches Themenspetkrum verschafft Leser, welche entsprechend interessiert gezielter nach bestimmten News suchen. Das Potential der Leserschaft kann dadurch höher sein, wenn das Spektrum “breite Gruppen interessiert”, die Profilierung ist einfacher, Knowhow leichter zu beweisen. Aber auch hier gilt: Es sollte nicht unterschätzt werden, wie schwierig es ist, täglich oder zumindest regelmässig neue Themen zu finden – oder bestehende wirklich eigenständig, also mit zusätzlichem Erkenntniswert zu vertiefen oder neu zu beleuchten.

Es gibt wohl als Blogger wie Leser nicht die eindeutige Antwort, welche Art Blog interessanter gestaltet werden könnte. Ganz klar aber bleibt ein Blog das Werk eines Einzelnen, ist es das, für das es ursprünglich stand: Ein Tagebuch oder eine chronologische Aufzeichnung einer gedanklichen Auseinandersetzung mit einem Themenbereich dieser einen Person. Die Individualität ist die ursprüngliche Triebfeder, mit allen Vor- und Nachteilen der Subjektivität, und in allem durchdrungen vom Charme, aber auch der Begrenzung aller Wirksamkeit, die darin begründet ist, dass da einer seine freie Zeit mit dem Bündeln seiner Gedanken in tippfähige Wortreihen verbringt, ohne dass er im Entferntesten die Power hätte, daraus mehr als ein Nischenprodukt zu machen.

Sie spüren schon. Ich schreibe von mir. “Wann nicht?” mögen Sie vielleicht denken. Touché. Ich fühle mich allerdings wohl in meiner Nische, und ich habe keinen einzigen Gedanken in der Art, etwas, was mir im sechsten Jahr grosse Freude macht, einzustellen. Was mich mehr beschäftigt, ist die geraubte Illusion, mit der sich viele Blogger, aber eben auch Journalisten herumschlagen:
Ganz offensichtlich ist es so, dass mancher Anwurf, den die Bloggerszene aus dem Kreis der professionellen Schreiberlinge einsteckt, auch mit dem Frust dieser Journalisten zu tun hat:
Wer könnte besser erkennen als sie, welches Potential im Grunde in Blogs liegen würde? Aber genau so, wie Blogger das, was sie tun, meist in der Freizeit unterbringen, so haben auch Journalisten kaum genügende Ressourcen, um selbst ein Blog zu betreiben (schlecht bezahlt werden sie schon für die Texte, die sie beruflich schreiben…). Und abseits der wenigstens einigermassen beachteten Mainstream-Onlineveröffentlichungen mag aus diesem Kreis sowieso niemand herumtippen. Wer könnte das nicht verstehen?

Der Schweizer Markt ist klein, aber er ist gewiss qualitativ nicht ausgeschöpft. Schon gar nicht für die Online-Mediumsform eines dem Qualitätsjournalismus entsprechenden Gemeinschaftsblogs von Journalisten mit Bloger-Flair und erfahrenen Bloggern mit journalistischem Talent. Einer solche Kombination, eingebettet in ein Gesamtkonzept, das den Meinungs- und Leitartikel und die Kolumne in bloggerischer Form zum Anreiz für engagierte Debatten macht (denen sich die Blogger selbst nicht entziehen), würde ich persönlich gute Chancen geben. Vor allem dann, wenn ein solches Gemeinschaftsblog in den Kommentarthreads im Sinne einer offenen Diskussionskultur wirklich moderiert würde und eine verlegerische Kompetenz im Hintergrund so viel Manpower und Finanzen und Vernetzungen ins Projekt einfliessen liesse, dass Inhalt, Form und Verbreitung in verschiedene Hände gelegt werden könnte.
Von dem allem habe ich nur eines: Die Begeisterung für diese Idee… Möge sie (die Idee, nicht die Begeisterung) geklaut, aber nicht verwässert werden…