Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Bleib ruhig

∞  13 August 2012, 17:07

Bleib ruhig:
In hundert Jahren ist alles vorbei.
Ralph Waldo Emerson



Das Wort Gelassenheit – ich brauche es so oft, weil ich das, was sie auszeichnet um so mehr anstrebe, je heftiger ich meine Ruhe vermissen lasse.

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Ruhig soll ich also bleiben. Das Zitat nennt gar keinen Anlass, der diese Ruhe gefährdet. Denn es will sagen: Den gibt es nicht.
Es gibt schlicht kein Ereignis, dem man diesen Satz nicht entgegen setzen könnte.

Ich könnte auch sagen: In fünfzig Jahren ist alles vorbei. Mit höchster Wahrscheinlichkeit. Die absurd lange Zeit, die das einschliesst, ist im nächsten Moment die mir viel zu kurz erscheinende Restlebenszeit, die mir bleibt. Es liegt so viel bei mir selbst. Selbst wenn ich der Meinung wäre, es liesse sich nichts wirklich selbst beeinflussen, so bliebe doch die Frage:
Wie gehe ich damit um?
Was schaffe ich noch, was habe ich verpasst, was bleibt mir noch, was erwarte ich von mir,
was muss, was darf, was fehlt?
Ob ich zufrieden mit mir bin, mit meinem Leben, meinem Schicksal, meinen Zufällen – wovon hängt das ab? Am Ende von Anderen – von Stärkeren oder Schwächeren? Von Ihnen?

Unsere innere Aufregung ist so häufig Unruhe für nichts. Wir können und sollen durchaus über unsere fehlende Wichtigkeit nachdenken, über Aufgaben und Sinnstiftungen. Unwichtig ist in jedem Fall aber die Sorge, die Angst, die Wut, der Zorn. Nichts daran lässt die hundert Jahre kürzer werden, nur leidvoller.

Viele meiner Freunde sind noch ein Stück älter wie ich. Nichts geniesse ich so sehr, wie wenn ich staunend feststelle, dass ihre Ruhe viel grösser als die meine ist. Ihre hundert Jahre sind kürzer. Und es lohnt sich nicht, seine Zeit zu vergeuden. Nichts nachzurennen, auch wenn der unbekannte Horizont näher rückt, hat etwas Abgeklärtes, Souveränes an sich. Es ist eine Ahnung von Frieden, die mich ansteckt, runter holt und ruhig atmen lässt. In hundert Jahren ist alles vorbei. Und das ist in Ordnung, wie es immer in Ordnung war.

Womit ich bereit bin für meinen nächsten Moment.