Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Bitte das Formular ausfüllen. Vollständig.

∞  10 Januar 2014, 13:25

Formulare sind was Tolles. Wenn die Maske stimmt und sie sorgfältig aufgebaut sind, kann man darauf einfach alles zu einem Kunden, einem Produkt, einem Angebot notieren. Und hat dann alles ganz fein säuberlich und schön zusammen. Nur dumm, dass diese Dinger so viele Qualen verursachen – und unter dem Strich oft mehr Aufwand bedeuten als nötig – ohne dass die Gewissheit gegeben wäre, dass die Informationen denn auch richtig sind. Oder noch immer sind.

Und manchmal treibt die Formulitits einfach tolle Blüten. Zum Beispiel dann, wenn die Sachberarbeitung zu allen Feldern nachfragt, ohne dass sie intern einen Vermerk hätte, welche Daten sie selber beibringen muss. Oder wenn eine Bestellung nicht ausgelöst wird, weil irgendwo die Angabe dazu fehlt, ob die Verpackung nun aus PE, PES oder PP ist. Und die lieben guten Artikelblätter, die wir erstellen, bevor ein Produkt gelistet wird. Ein halbes Jahr später hat niemand daran gedacht, einzelne Parameter, die sich unter Umständen verändert haben, nachzutragen. Und warum auf den Millimeter genau klar sein muss, welche Ausmasse eine Umverpackung hat, ist mir auch nicht ganz klar – zumal eben das auch just ganz plötzlich nicht mehr stimmt und dann vor allem jahrelang niemanden stört…

Wir alle haben immer mal wieder mit Formularen zu tun, und wir können uns wohl gar nicht vorstellen, wie viel Aufwand betrieben wird, um DAS perfekte Formular zu schaffen. Da sind Konzepter und Berater am Werk und kreieren alle paar Jahre den neuen nun endgültig bahnbrechenden Wurf, dem doch fast sofort der Entwurf der nächsten Fassung folgt.

Es ist wirklich nett, über die Dinge und Menschen Bescheid zu wissen, mit denen man sich beschäftigt. Nur blöd, dass dabei oft das Entscheidende total ausser Kontrolle gerät: Viele Einkäufer sind ohne ihren ganzen Aktenkorpus gar nicht mehr in der Lage, schnell und zügig zu erfassen, was sie ein Produkt wirklich kostet, weil immer wieder Sonderkonditionen ausgehandelt werden für Promotionen, besondere Verpackungen, spezielle Listungen, weil Frühling ist oder bald wieder Herbst wird oder was sonst noch so Kreatives einfällt, um dem Lieferanten noch ein bisschen was abzuzwacken. Wie also, soll dann, am Ende, ein solcher Einkäufer noch innert nützlicher Frist erfassen können, ob er richtig einkauft, wenn ein mitbewerbender Lieferant eine Spontanofferte abgibt, ganz unschuldig mit den nackten Basiskonditionen? Die Antwort lautet: Gar nicht. Er greift zum Telefon, ruft seinen bestehenden Lieferanten an, und sagt ihm: Zu teuer! Ist der Lieferant cool genug, seinem Kunden zu erklären, was da alles noch drin ist im Preis, dann gut, dann hat man Nachhilfe geleistet. Wenn nicht, und der Schreck dazu führt, lieber gleich nachzubessern, hat sich die Sache für den Käufer wieder irgendwie gelohnt… und womöglich steht dann nochmals eine Sonderkondition auf dem Einkaufsblatt.

Eine der grössten Stärken eines grossen Discounters liegt genau da: Er will von seinen Lieferanten nackte Netto-Angebote ohne Sperenzchen und Fisimatenten und schafft damit für alle Beteiligten, auch für die eigenen Mitarbeiter, komplett klare Verhältnisse und Voraussetzungen. Und so ganz allmählich wird das wieder zu Trend. Es ist aber noch nicht so lange her, dass ich eine Artikelkalkulatin gesehen habe, bei der im Ausdruck vier A4-Seiten quer aneinnader geklebt waren, um alle Angaben und Besonderheiten zu Rabatten und Logistik mit aufführen zu können.

Ich habe hiermit meine aktuelle Formularitis zum Doktor gebracht und sie eben ein bisschen therapiert mit diesem Ventil-Artikel. Und bring dann mal die Sache zu einem baldigen Ende, hoffe ich.