Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Betroffenheitsgetue bitte abbrechen!

∞  3 Oktober 2011, 23:57

Einmaliger Vorgang in der Schweiz, wenn auch längst überfällig: Es ist ein Fussballspiel der obersten Liga abgebrochen worden, nachdem Leuchtraketen in einen Fansektor geschossen wurden und auf den Rängen eine Schlägerei ausbrach, zu der die spassbereiten Hooligans eiligst über die Tartanbahn gelangen konnten.


Seit Jahren ist es das immer gleiche Theater: Vor den Augen, also den Kameras des Fernsehens, prügeln sich ausserhalb und in den Stadien so genannte Fans, Halbstarke, vermummt, und schlagen auf alles ein, was sich in den Weg stellt. Die Bühne ist ganz offensichtlich geil, und die Bereitschaft, jede Regel zu brechen und Gutmeinung mit Gewalt lächerlich zu machen, reicht aus, dass man der Obrigkeit und im Grunde uns allen den Stinkefinger zeigen kann: Die Eskalationen sind extrem, die Folgen minimal. Am Sonntag sind vier Personen verhaftet worden – drei sind bereits wieder auf freiem Fuss. Das sagt alles.

Und immer auch dies: Die Politik lamentiert, die Klubs geben sich betroffen. Doch hinter dem Kernsatz, dass dies nicht die richtigen Fans und Fussballzuschauer wären, steckt die Botschaft: Im Grunde geht uns das nichts an. Es ist das Problem der Gesellschaft. Und weil man sich als Teil der Gesellschaft sieht, aber nicht in der zentralen Verantwortung, kriegt man regelmässig die Quittung präsentiert. Auf Lippenbekenntnisse lassen die Chaoten einen Furz. Verzeihung, das ist jetzt ordinär, aber ich kann es nicht anders ausdrücken. Doch, vielleicht so:

Als Fussballliebhaber werde ich auch zukünftig Fussballspiele besuchen. Allein, oder mit einem Gleichgesinnten, der genau so auf sich selbst aufpassen kann, wie ich. Dem Familienvater aber, der mich fragt, ob er mit seinen Kids zum Spiel gehen soll, werde ich abraten. Und genau das beklagen nun die Verantwortlichen aller Clubs, die Herren Präsidenten, die auf Konzepte verweisen und Fanbeauftragte, die Familienfreundlichkeit beteuern – aber nichts dafür tun. Denn die Krux ist doch dies: Thematisiert man es selbst, gesteht man das Problem ein – und betreibt Antiwerbung, so dass die Familien tatsächlich noch schneller weg bleiben.

Weshalb kann sich Politik und Gesellschaft nicht darauf verständigen, dass an einem öffentlichen Sportanlass Vermummung nichts verloren hat und jeder Sektor konsequent gefilmt wird? Warum ist es nicht möglich, mit drastischen Strafen im Schnellverfahren sich für den Grossteil der Gesellschaft die Freiheit zu erstreiten, friedlich schiedlich einem Fussballspiel beizuwohnen?

Bei keiner anderen Entwicklung kann man so gut mitverfolgen, dass die Scheu vor der konkreten und harten Massnahme dazu führt, dass man Lebens- und Spielraum an jenen Teil der Gesellschaft abgibt, der sich im Grunde um die Regeln des Zusammenlebens einen Dreck schert.

Ich warte auf die Clubverantwortlichen, die darauf hinweisen, dass sie selbst auch ein Problem mit gewaltbereiten Fans haben, dass sie Polizei in den Stadien wollen und konsequente Verbote für zuwiderlaufendes Verhalten. Keine Macht den Chaoten, alle Freude den echten Fans.

Fussball ist ein Massenphänomen und für viele Menschen ein unbeschwertes Vergnügen. Doch manchmal muss man für so was auch einstehen. Im Stadion, indem man Querulanten entgegen tritt – und in der Politik, indem man nicht nur diskutiert, sondern handelt. Und auf dem Dorfplatz übrigens auch, wenn ein Vater einen Schiedsrichter unflätig beschimpft.

In keinem anderen Land Europas werden Kosten für die Sicherheit bei solchen Veranstaltungen den Clubs aufgebürdet – etwas, das diese Clubs gar nicht stemmen können, wenn solche Entwicklungen zu beobachten sind. Damit fördert man das Wegsehen und die Betroffenheitsrhetorik, die ich schon gar nicht mehr hören kann. Macht endlich vorwärts mit echten Lösungen – mit der Botschaft an die Chaoten:
Jungs, ihr seid tatsächlich ein Problem. Aber wir lösen das jetzt. Wirklich.