Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Bekenntnisunterricht zur göttlichen Nächstenliebe

∞  21 Oktober 2012, 19:46

Erst lese ich den Anrisstext zum Artikel So werden wir den Islam in Deutschland lehren in der FTD, und der liegt mir schwer auf dem Magen:

Der Theologe [Mouhanad Korchhide] bildet die Islamlehrer für den Bekenntnisunterricht an deutschen Schulen aus.

istockphoto.com/koun

Sofort schiessen sie los, die Gedanken in meinem Hirn:

Wie bitte: Bekennntisunterricht in Deutschen Schulen? Was ist mit dem Anspruch des religionsneutralen Unterrichts, den abgehängten Kreuzen, dem Kampf um gleiche Art Schulunterricht für alle Kinder? Der säkularisierte Staat biegt sich dem Druck eiferischer Kräfte?
Solche Dinge gehen mir durch den Kopf – und alles gerät in Aufruhr. Wobei ich natürlich weiss, dass Konfirmandenunterricht und jede Form von Religionsunterricht in der Schule je nach Lehrperson sehr unterschiedlich “verbindlich” vermittelt wurde – je nach Überzeugung dieses Menschen.
Der Reflex lässt sich nicht abwürgen: Ich fühle mich in meinem Instinkt, meine kulturell-religiöse Identität zu verteidigen, herausgefordert.

Dann lese ich – zum Glück – weiter, und schnell wird klar, dass der Artikel und die Person, die ihn schreibt, Mouhanad Korchhide als Ausbildner der islamischen Theologielehrer für deutsche Schulen und Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster einen Auftrag auszuführen gedenkt, den wir alle begrüssen:

Muslime in Deutschland, in Europa, sollen den Koran so vermittelt bekommen, wie er wörtlich interpretiert werden kann, als Buch einer friedfertigen Religion. Wir dürfen Muslime nicht der Indoktrination einzelner Imame überlassen, welche eine autoritäre Auslegung forcieren, welche die Nachfolge hinter religiös-politischen Führern forcieren will.

Wenn ich den Artikel von Korchhide lese, verstehe ich besser, weshalb es zu so verwirrend konträren Aussagen über den Gehalt des Korans kommen kann, so, als würde jeder sein eigenes, für ihn geschriebenes, individuelles Exemplar gelesen haben.

In dem Artikel kann ich erfahren, dass es im Islam keine der Kirche ähnliche Institution, die zu einem bestimmten Grad festlegt, wie eine islamische Theologie auszusehen hat. Im Islam gibt es vielmehr eine Bandbreite verschiedener Auslegungen.

Der Autor wendet sich vor allem gegen salafitische Auslegungen, welche das Bild eines strafenden und zürnenden Gottes einsetzen, um Gläubige hinter eine Führung zu scharen und Gehorsamkeit und Folgsamkeit zu fördern. Wie wir selbst es doch sehr gut zumindest noch aus Erzählungen älterer Generationen in unseren Familien kennen, wird da mit dem Höllenfeuer gedroht, für all das schändliche Tun, das vor allem Frauen ausgetrieben werden muss.

Khorchide macht sehr deutlich, dass nicht nur wir einheimischen Christen diese muslimischen Höllenfeuer nicht in der Gesellschaft lodern sehen wollen, sondern dass es ungemein wichtig ist, dass die 900’000 muslimischen Schüler in Deutschland ein möglichst weltoffenes Bild des Korans vermittelt bekommen – mit einer Nächstenliebe, wie sie auch unsere Evangeline unter die Menschen bringen wollen.

Es wird interessant sein, zu verfolgen, wie gross die Kämpfe innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in unserem Nachbarland sein werden, wenn es darum geht, ihre Kinder in Sachen Korankunde einem islamischen Religionslehrer der öffentlichen Schule anzuvertrauen.

Es gibt viel zu tun, aber ich glaube, der Ansatz ist richtig und sehr wichtig.