Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Bei der Scholle meines Vaters

∞  26 Oktober 2013, 20:58

Heute haben wir uns mit dem gleichen beschäftigt wie unzählige andere Menschen auch: Es ist Samstag, schönes Wetter – Zeit, die Pflanzencontainer auf den Winter vorzubereiten. Daraus ist eine stille Erinnerung an meinen Vater geworden.

Dieses Jahr wurde ich von meiner Liebsten schon zuvor ein bisschen mehr in die Gartenarbeit eingespannt, die sich bei uns – bewusste Wohnungswahl – auf Pflanzcontainer auf Terrasse und Balkon beschränkt. Es kann aber auch sein, dass ich sie geradezu ein wenig gesucht habe: Während Gartenarbeit in meiner Kindheit vor allem Rasenmähen, jäten und Garagenplatz kehren bedeutete – und für mich spätestens als Teenager reine Zeitverschwendung war, ist es nun auch Gestaltung und Leben: Eine Pflanze sorgfältig ausgraben und versetzen und möglichst dafür zu sorgen, dass sie am neuen Ort gut anwachsen kann – was für ein sinnlicher, bewusst positiver Vorgang!

Und dann geschah es: Ich grub den Wurzelstock nicht einfach aus und wieder ein, ich befasste mich vor allem mit der Erde – und freute mich dabei über jeden Regenwurm, den ich fand – und natürlich tunlichst in der Erde beliess – als Hilfsgärtner. Und ich zerlas die kleinen Klumpen Erde, meine Finger wühlten im warmen Erdreich, und ich zerkrümelte die Schollen, um sie von verfaulten Wurzelenden, Steinchen und anderen Fremdkörpern zu säubern. Und es war, als würde mir mein Vater die Hand führen. Ich hatte ihn nun vor mir, wie er mit breitem, krummem Rücken auf der Erde kauerte, den Blick konzentriert auf seine Hände gerichtet, die sich in die schwarze Erde gruben und sie so lange säuberte, bis sie komplett gelockert und wie Humus vor ihm lag und duftete. Doch dies konnte ich erst jetzt riechen, und ich musste lächelnd an unseren Komposthaufen denken, dreistufig (den roch ich damals sehr wohl), wo er mit den verschiedensten Beimengungen experimentierte und mehrmals pro Jahr die Haufen umschichtete, immer bestrebt, die Kraft des Lebens konzentriert aber natürlich in den Boden zu bringen oder im Boden frei zu setzen.

Jetzt, zwanzig Jahre nach seinem Tod, ehre ich seine Liebe, seine Akribie und seine Herkunft als Bauernsohn, wenn ich mir die Zierföhre ansehe – oder wie auch immer das Nadelhölzlein heissen mag (in der Benennung bin ich die alte Niete geblieben), das ich vor ein paar Wochen versetzt habe. Und Paps mag jetzt feststellen, dass sein Beispiel eben doch Wirkung hatte, seine Haltung zum Erdreich, seine Art Bodenhaftung sich doch verpflanzt hat, obwohl er mich so oft nicht verstand und ich so weit weg schien für ihn, so abgehoben von allem Erdigen, das nur einfache Worte braucht. Paps, ich werde immer ein Lächeln im Gesicht haben, wenn ich Dich im Garten sehe. Ich weiss, manchmal hast Du Dich auch hinter dieser Beschäftigung verkrochen, war sie schlicht Rückzugsmöglichkeit für Dich – aber, herrjeh, das versuchen wir alle, hin und wieder. Und ich verspreche Dir: Thinkabout’s Wife darf mich jederzeit wieder um Hilfe bitten, wenn es darum geht, wieder einem Leben die Wurzelbildung zu erleichtern. Und ich weiss auch schon, dass ich protestieren werde, immer, wenn sie einfach die alte Erde wieder zurück schaufeln will, so ganz ohne Bearbeitung und Veredlung. Das geht einfach nicht.