Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Begegnungen mit Zeit

∞  14 März 2014, 22:42

istockphoto.com/MHJ

Heute war ein Tag der Begegnungen – mit vielen Gedanken über unseren Umgang mit Zeit. Über die Beanspruchung der Zeit von Mitarbeitern, ihre Verfügbarkeit, den Anspruch, sie belasten zu dürfen und weiter belasten zu können, über das fehlende Talent, sich Zeit für ein Gespräch zu nehmen, um dann am Ende festzustellen, wenn der andere doch darauf drängte: War das alles? Gerade so, wie ein Patient, der sich ohne Pein von der Zahnarztliege erheben und von dannen ziehen darf.

Über die Zeit des Kundenberaters wird, natürlich, auch verfügt. Vom Verkaufsleiter Export werden Gespräche zu allen möglichen Zeiten verlangt, Geschäftsreisen, die Wochenenden einschliessen, spontane Verpflichtungen zuhauf. Der Kunde ist König, der Arbeitgeber rechnet mit ihm – und dem Verkäufer.

Banken haben kurze Schaleröffnungszeiten. Aber beim Eingang steht unterhalb:
Für die Vereinbarung individueller Kundengespräche bis 20h00 kontaktieren Sie direkt Herrn…

Und oft ist die Zeit, die wir Kraft unseres Amtes, unserer Stellung, von anderen einfordern, zuerst mal Resultat eigener Nachlässigkeit. Wir haben selbst nicht daran gedacht, und setzen uns nichts anderes ein als den Druck und das Argument des Vorgesetzten, der immer recht hat. Wird ihm nie widersprochen, ist das für die Firma nicht gut – und für den Chef auch nicht. Schlägt ihm immer Widerwillen entgegen, ist das auch nicht gut. Es gibt auch den dummen Reflex, sich nie aus einer bestimmten Komfortzone heraus bewegen zu wollen. So kann man auch nicht arbeiten.

Eigentlich wäre doch alles ganz einfach. Oder zumindest nicht so kompliziert. Stattdessen schreiben wir dereinst privat zur Entschuldigung:

Ich hätte Dir gerne früher mitgeteilt, dass ich heute Abend aus terminlichen Gründen nicht kommen kann, aber mir hat einfach die Zeit dazu gefehlt.

Die Zeit, die es mich kostete, um mich heute mit vielen Menschen zu unterhalten, hat sich gelohnt. Mir ist dabei sogar egal, ob sie gut eingesetzt war und ich zukünftig damit Zeit spare. Ich habe sie, erst mal, gut genützt, sie war gefüllt mit Begegnungen, Eindrücken, Annäherungen – mit einer ganzen Menge so genannt weicher Faktoren, die niemand beziffern kann, die aber in jeder Firma das Öl sind fürs Getriebe. Unser Laden ist in manchem Gehabe redlich ergraut und weist zum Teil skurrile Gepflogenheiten auf, schlicht deshalb, weil es einfach “schon immer so gemacht wurde”. Aber es gibt einen jungen Maschinenwart, der das Ding ruhig ein wenig runder laufen liesse – und dafür auch bereit ist, in dessen Service Zeit und Mühe zu stecken. Das ist schön zu sehen, und er hat dafür meine volle Unterstützung.

Auf dass wir alle uns nicht nur von oben mehr Verständnis und von unten mehr Leistung wünschen, sondern in jedem Kontakt uns auch bewusst sind, dass wir etwas ausstrahlen sollten, was wir umgekehrt auch gern empfangen. Dann kann man sich auch die Meinung sagen. Jederzeit.