Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ballenberg - Die Welt, wie sie mal war und verloren ging

∞  18 Oktober 2013, 22:08

Ein Tag im Freilichtmuseum Ballenberg. Nicht zum ersten Mal. Aber noch nie bin ich so tief in die verschiedenen Wohnräume eingetaucht, habe ich die Details im einfallenden Licht einer warmen Herbstsonne so aufmerksam und vielfältig in mir aufgenommen: Das Leben war einst sehr viel beschwerlicher, aber die Hilfestellungen, mit denen es sich unsere Vorgängergenerationen einfacher und angenehmer machten, haben auch etwas Warmes, Wohliges an sich.

Man kann sich sehr leicht vorstellen, wie herrlich es sein musste, zum Beispiel in eine warme Stube zu treten, in der der Kachelofen in der Ecke seit Stunden vor sich hin bullerte. Und alles, was alltäglich erscheint, hatte noch einen ganz anderen Wert. Fliessendes Wasser? Ein Bad? Eine Spüle? Die Küche? Wir drücken heute einen Knopf, wofür man damals eine Stunde vorarbeitete, um es warm zu bekommen. An diesem warmen Ort aber versammelte man sich dann auch, war man beisammen.

Ich weiss: Das ist an sich erst mal nur eine äusserliche Qualität, und die inneren Zerwürfnisse auszuhalten, wenn man diesen Raum mit allen teilen musste, konnte um so schrecklicher sein.

Aber nehmen wir einfach mal den Vorgang der Körperplfege, des Kochens, des zu Bett Gehens für sich – und stellen fest, was es damals bedeutete, warm zu bekommen. Wo der Luxus anfing – und wie viel Einfaches noch Genuss bedeutete.
Heute fluchen wir, wenn auf ein Schalter Drücken nichts geschieht. Früher war Licht, war Wärme zu verstehen. Man sorgte gewissermassen selbst dafür. Heute rufen wir eine Hotline an und wettern über die Warteschlaufe, elend lächerlich hilflos in unserer ganzen zivilisatorischen Modernität. Aber warm haben wir es und bequem. Aber da wir gar nicht wissen, wie es auch sein könnte, ja, wie es vor ganz wenigen Generationen noch war, können wir es auch gar nicht schätzen. Keiner würde der Operatrice im Kundendienst entgegnen: “Lassen Sie sich nicht stressen, ich sitze hier ganz bequem und habe es warm.”

Irgendwie ist das schade, und traurig und arm. Und ein Teil unseres Problems im Umgang mit der uns ausgelieferten Umwelt – bzw. jener Welt, die ganz schnell wieder sehr viel Kälte für uns bereithalten könnte.