Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Baggern, Saufen, Feiern und mehr, viel mehr

∞  4 November 2010, 22:02

Die Schweizer TV-Medienlandschaft ist klein und beschaulich, vielleicht gar ein bisschen bieder. Privatfernsehen kommt dabei daher, als wäre es eben erst erfunden worden. “3+” heisst der Sender, und ich könnte mir ein bisschen so vorkommen wie zu den alten Tutti-Frutti-Zeiten von RTL. Nur, das hier ist nicht einfach peinlich, das ist geschmacklos und höchst fragwürdig, aber eben, siehe Artikel von gestern, ich bin ja von gestern. Aber gestern, also gerade noch eben, wäre so was kaum möglich gewesen:

In der Sendung Jung, Wild und Sexy baggern die Protagonisten, sie saufen und sie machen Party. Das ist der wortwörtliche Abrisstext zum Titel der Sendung. Okay. Von mir aus. Nur: Die Hauptpersonen in diesem Format sind Teenager. Und die nehmen kein Blatt vor den Mund und delektieren sich schon mal vor der Kamera mit öffentlichen Statements, dass f…n halt wirklich nur Spass macht, wenn es mehr als eine halbe Stunde dauert und die Stellungen häufig gewechselt werden, wobei es am geilsten auf dem Bürotisch ist, weil da die Höhe einfach ideal ist.

Ich bin dem Jungen wirklich dankbar, dass er mir auf mein Alter fürsorglich auf die Sprünge hilft, denn irgendwann werde ich es in den Knochen spüren. Oder in den Gelenken, den Muskeln gar… Womit ich schon mitten in einem Gelaber bin, das ich ihnen nicht antun will – und mir eigentlich auch nicht. Ich frage mich, was den Jungen heute so alles verloren geht bei der Entdeckung ihrer Sexualität. Und was es für uns alle bedeutet, wenn wir solche Berichte am Radio hören oder live während der Sendung – und wir nur noch, allenfalls resigniert, mit den Schultern zucken dabei.

Aber richtig übel wird mir, wenn ich dann ein Interview mit dem Programmleiter des Senders höre, der gefragt wird, wie er reagieren würde, wenn sein Sohn sich für die Sendung bewerben würde. Natürlich würde er ihm das nicht verbieten, aber er “würde ihm schon in einem Gespräch ernsthaft vor Augen führen, dass er sich dies gut überlegen solle”. Zwei Sätze weiter erzählt der Programmleiter dann von der Popularität der Protagonisten dieses Formats in den USA (denn natürlich ist auch dieses Format abgekupfert), wo die Real-Life-Teenager der Doku-Soap richtige kleine Stars geworden wären mit eigenen Facebook-Fan-Seiten “und so”.

Na, phantastisch. Wie abgefeimt verlogen tönen da die väterlichen Voten von vorhin? Auch hier rechtfertigt das “Kasse machen” scheinbar alles. Erlaubt ist, was anzieht.

Ich habe wieder mal so richtig die Nase voll von uns allen.


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Die Sendung: Jung, Wild und Sexy bei 3+, praktischerweise gleich mit dem Bewerbungsformular
Bild: “Schwoof”, Stefan Bayer [Download pixelio.de]
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