Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ausflug in die innere Schweiz

∞  30 August 2008, 12:39

Ein Potpurri an ersten Eindrücken der letzten Tage – aus einer Welt, eine gute Autostunde nur entfernt, und doch so fremd, dass es nicht Heimat ist, sondern nur noch Sehnsucht, was man dabei erfahren darf. Und doch sage ich gerne und voller Stolz, wo er auch herkommen mag: Wir leben in einem wunderbaren Land. Die Schweiz ist schön.

Ein paar Tage in der Innerschweiz, und dabei zumindest blinzelnd und nicht ganz blind durch die Landschaft gewandert. Es ist nicht schwer, es zu fühlen: Die Matten, die grünen Hügel, die Berge: Alles erzählt von der Kraft der Natur. Aber auch: Es geht immer rauf und runter. Ich sehe die alten Frauen in Sattel vor mir, die beim Einkaufen im Dorf die Hautpstrasse mit gebäugten Rücken hinauf und mit starr durchgestrecktem Kreuz runter gehen, am Stock. Es ist steil. Das garantiert uns Touristen die tolle Aussicht. Den Menschen hier ist der Blick vielleicht Heimat, aber auch Mühsal.

Und ich rieche das frisch gemähte Heu auf den Wiesen, sehe an jedem Abhang einen Bergbauern beim Mähen oder Zetteln oder Heu zusammen rechen. Ich sehe Maschinen in aberwitziger Steillage, bewundere anhand der geschaffenen Hilfen den Einfallsreichtum des Menschen, der sich Handwerkszeug und vor allem Maschinenwerkzeug baut, wo immer und wann immer das möglich ist. Ich sehe aber vor allem Männer, alte Männer, die mit der Sense und dem Stahlrechen heuen, mit festem Tritt in schweren Schuhen an steilsten Hängen. Ich wundere mich, wie man mit dem Traktor oder dem Handmäher auf solchen abfallenden Matten überhaupt stehen kann. Ich sehe manch wettergegerbte, schweissglänzende Haut und fühle eine Stille, die alles begleitet.

An der Rigi begegnet mir als erstes am frühen Morgen als Schemen im Nebel, abseits der sicheren Wege kein Reh oder Hase – es sind die schwingenden Schultern eines Mannes, der die Sense führt, eingehüllt vom jedes Geräusch verschluckenden Nebel, ausser dem Muhen der Kühe, das fast schon zum Brüllen wird, unheimlich im feucht wattierten Grau, das alle Luft durchdringt, während ich der Höhe zustrebe, wo mich die Sonne erwartet und ein Nebelmeer, unter dem dieser Mann und viele andere verborgen bleiben. Doch er kennt diesen Ausblick viel besser als ich, wenn man auf einer Bank sitzt und vor sich das weisse Meer des Nebels wie Badeschaum sich kräuseln sieht. Für mich ist es das Paradies, für ihn das Stück Heimat, das jede Mühsal lohnt.

Und abends, wenn ich, nach einer Tageswanderung vor dem Zelt sitze, die Beine ausgestreckt, die Augen auf den Bergkamm gerichtet, auf dem ich heute war, aberwitzig weit weg und hoch oben, und offensichtlich doch so nah, dann umkreist mich der Bauer, bei dem wir zu Gast sind mit seinem emsigem Treiben, auf Traktoren, die nie müde werden und bis neun Uhr abends rütteln und rattern und ihre Maschinen ziehen, wie es keine zehn Ochsen schaffen würden. Und die Bewegungen des Bauern sind ruhig, nicht ruhelos, aber zielstrebig und fleissig, auch in der siebzehnten Stunde des Arbeitstages bleibt das so. Das Vergnügen aber sitzt neben ihm, der Sohnemann und Dreikäsehoch geniesst den Papa und macht die Arbeit zum Spiel. Es ist Spätsommerzeit. Die Bauern holen die Ernte ein, jedes Büschel Gras soll, getrocknet eingebracht werden. Dankbar für einen kräfitgen, wüchsigen Sommer und in der Hoffnung auf einen milden Winter. Dann wird es ruhiger werden, die Tage weniger hell, und doch weniger beladen. Bleiben wird der Rhythmus, den die Tiere vorgeben, die dann von den Vorräten zehren, wie es die Menschen auch tun, wie an so manchem Ort auf dieser Welt – auch da, wo noch viel weniger Auskommen ist auf meist fremdem Boden, für den auch noch getaglöhnt werden muss, bevor sich der eigene Teller füllt.

Mit der Sicherheit des eigenen Bodens unter den Rädern mag es angenehmer sein – ein Chrampf bleibt es. In aller Erdverbundenheit.

Bild: Schlafen im Stroh oder Campieren auf dem Bauernhof, bei Weggis, August 2008

PS: Das Massenbesäufnis (Botellón) in Zürich hat gestern 6 Tonnen Abfall produziert, liest mir Thinkabouts Wife gerade vor…

Die Säuberung der mit Glasscherben gespickten Wiese steht noch aus…

Und, ach ja: Bilder folgen natürlich noch (nicht aus Zürich, diesmal)


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