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Ärmlich, dieses Gefeilsche um die Armutsbeschreibung

∞  31 Januar 2013, 18:23

In Deutschland versucht die Regierung schon seit längerem, einen angekündigten so genannten Armutsbericht zu veröffentlichen, scheitert dabei aber immer wieder am internen Widerstand, mit dem sich einzelne Regierungsfraktionen gegen Formulierungen und Aussagen sperren, diese umformuliert oder umgedeutet sehen wollen. Alles eine Frage der Sichtweise?

Das ganze Theater ist ein ziemlich armseliges Gehabe, und im Grunde hat die Übung schon lange genau den Effekt nicht erzielt, den man wohl damit ursprünglich angepeilt hatte: Wir haben es im Griff, und, seht her, da wo es Probleme gibt, benennen wir sie auch!

Die gemeinen Bürger haben gewiss einen anderen Eindruck. Sie nehmen in erster Linie wahr, dass Sparrunden immer zu Lasten jener gehen, die keine oder eine sehr schwache Lobby hinter sich haben.

Wir sollten uns in jedem Fall mal fragen, ganz unabhängig vom Grad der Lauterkeit, den wir einer bestimmten, gerade regierenden Fraktion von Politikern zubilligen wollen, von welchen Kennzahlen wir uns in aller Regel den Stand der Wirtschaftsleistung eines Landes denn so vorweisen lassen? Sind wir uns zum Beispiel bewusst, wie relativ die Erhebungen zu den Arbeitslosen sind? Was ist mit den so genannt ausgesteuerten Arbeitslosen, also jenen, die keine Arbeitslosenentschädigung mehr erhalten? Sind die plötzlich nicht mehr arbeitslos, nur weil sie dem Sozialamt überstellt werden? Was ist mit der Praxis in gewissen Ländern, Personen ab einem gewissen Alter jenseits der 50 bei deren Entlassung nicht in den Bestand der Arbeitslosen aufzunehmen, weil sie faktisch den Frührentnern gleich zu stellen sind, zumindest was deren Chancen betrifft… Und wie relativieren sich solche Zahlen und Vergleiche, wenn man noch in Betracht zieht, dass es in Frankreich zum Beispiel gar keine Befristung der Arbeitslosenentschädigung gibt – da können sich Indexwerte im Vergleich unter Ländern plötzlich sehr relativieren. Oder die Berechnung der Inflation – bilden die erfassten Preise wirklich die reale Ausgabenbelastung eines durchschnittlichen Lebens ab? Wie dominierend sind darin die Erdölpreise?

Während Libor- und andere Zins-Benchmarks, wie wir nun wissen, mutwillig manipuliert werden können, sind vielen Kennzahlen, mit denen sich eine politische Leistung bewerten lassen soll, oft geschönt oder in ihrer Erhebung schon einer Motivation der Machthabenden entsprungen – was zwangsläufig Verschleierung von Fakten bedeutet, die so plötzlich in der Berichterstattung keine Rolle mehr spielen, unser aller Leben aber weiter betreffen, unter Umständen immer stärker.

Ob es uns also gut geht oder nicht, hängt von unseren Ansprüchen ab, unseren Erwartungen – wenigstens für den grossen Teil von uns. Darum sind Kennzahlen zu Inflation oder Rezession für die Stimmung vielleicht wichtig, aber nicht unbedingt real. Unsere Lohnerhöhung, gewährt oder ausbleibend, ist allerdings durchaus davon abhängig, den die Tarifverhandlungen werden unter anderem an den Parametern der öffentlichen Teuerung ausgerichtet. Und jene, welche die Lebensgrundlage vom Staat errechnet und vorgehalten bekommen, und damit von den Parteien, welche im Grunde gar nicht von diesen Bedürftigen berichten wollen, müssen darob auch nicht unbedingt ein gutes Gefühl haben…

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DWN: Regierung noch beim Schönfärben: Armutsbericht erneut verschoben
via mycomfor