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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Arjen Robben gegen Deutschland...

∞  13 Juni 2012, 16:35

… oder spielt Holland auch mit?

istockphoto.com/koun

Animositäten und Rivalitäten entstehen über Jahrhunderte. Und so schnell werden sie nicht revidiert. Aber vielleicht abgeschwächt. Noch immer ist Fussball an Europameisterschaften und Weltmeisterschaften für viele meiner Landsleute nur dann wirklich schön, wenn Deutschland verliert. Wer aber dieses Spiel liebt, muss und wird anerkennen, dass deutsche Mannschaften seit Jahren immer wieder den attraktivsten Fussball überhaupt spielen – auch heute gegen Holland?

Denn bei den Oranjes ist die Entwicklung genau gegenteilig: Für dieses Land spielen seit den Zeiten von Cruyff immer wieder die besten Ballvirtuosen der Welt überhaupt, aber der Fussball, den das Team spielt, wird immer schmutziger und uninspirierter. Und je unharmonischer die Teamleistung, um so grösser werden die Egos. Und so scheitern die Holländer zunehmend an den eigenen Ansprüchen – und haben an Turnieren immer wieder mit internen Querelen zu kämpfen, an denen sie schlussendlich scheitern. Und seit dem trotz knüppelhartem Spiel gegen Spanien verlorenen WM-Finale ist ihr Nimbus nicht nur bei mir verflogen.

Aktuell lassen sich ihre Probleme sehr deutlich an der Person von Arjen Robben festmachen. Die Chronologie der Ereignisse der letzten Jahre ist für den Spieler eine Leidensgeschichte, in die er sich allerdings mit seinem harten Schädel zunehmend selbst immer tiefer rein reitet. Es begann mit dem Hick-Hack um die Verletzungsanfälligkeit des Spielers und den Vorwürfen seines Arbeitgebers Bayern München, der holländische Verband hätte den Spieler trotz Verletzung eingesetzt. Niemand weiss, welche Rolle dabei Robben selbst einnahm – und wie gross das Loch im Muskel war, als er wieder in München war. Seither ist er verletzt, dann wieder gesund, dann wieder verletzt, und wenn er spielt, erreicht er schnell ein gewisses Rendement, aber die absolut dominierende Rolle spielt er nicht, obwohl er sie beansprucht.

Robben sagt von sich, er wäre ein Familienmensch. Es muss eine Familie mit sehr patriarchalen Strukturen sein, denn Robben reisst auf dem Fussballfeld schnell alles an sich, staucht schon mal Thomas Müller auf dem Platz zusammen, wenn der ihm den Ball nicht zuspielt, oder leistet sich in der Kabine in der Pause gar eine Rauferei mit dem Kollegen Ribéry, den zweiten Heisssporn im Team. Das ist ein bisschen viel für ein Mannschaftsgefüge, auch und gerade dann, wenn das Alphatier Pech am Schlappen hat: Verschossener Elfer gegen Dortmund, vergebene Top-Chance gegen Dortmund in letzter Minute, verschossener Elfer gegen Chelsea im Champions-League-Finale. Und nun also die EM. Das erste Spiel liess nichts Gutes für die Fortsetzung vermuten:

Robben ist schnell, sehr schnell, aber für den abschliessenden Schuss irgendwie zu schnell. Er zieht mit dem immer gleichen Trick nach innen – und dann fliegt der Ball in die Zuschauerränge. Kaum je sieht er einen Mitspieler. Und die sind nach eigenem Spielverständnis nicht unbedingt dazu da, nur Zuschauer zu sein. Der Unmut im Gefüge scheint programmiert, und es gibt kaum eine stille Seele in der Mannschaft, welche die Wogen glätten könnte. Holland ist kein Team.

Dabei könnte ihr Co-Trainer von den Grundlehren eines Teams erzählen. Phillip Cocu spielte zu Zeiten von Ruud Gullit und Marco van Basten den eher ruhigen, ausgleichenden Part. Es gab ein Gleichgewicht der Charaktere und genügend Spieler, die mit unauffälligeren Rollen zurecht kamen. In der aktuellen Mannschaft scheint es nicht zuletzt am Respekt der Stars für diese Kollegen zu mangeln – und damit auch umgekehrt an deren Bereitschaft, Fehler der Stars hinzunehmen, oder, noch besser, auszubügeln.

Holland gegen Deutschland – das könnte auch heute ein Spiel werden, bei dem das Team gegen die Arroganz gewinnt – wobei die hohe Nase nicht dort zu vermuten ist, wo wir sie gemeinhin in der Vergangenheit jeweils auszumachen glaubten.