Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Arbeit auf Zeit als vielschichtiges deutsches Prinzip

∞  17 März 2010, 22:01

Die uns fremde Arbeitswelt Deutschlands: Unser Nachbar kennt ein sehr viel rigideres Arbeitsrecht, das einen sehr viel strengeren Kündigungsschutz für die Angestellten vorsieht. Das richtet sich aber, aus der Ferne betrachtet, je länger je mehr gegen die Arbeitnehmer selbst, weil sich die Unternehmen so lange wie möglich zurück halten, bevor sie daran denken, neues Personal fest anzustellen. Spitzen in der Arbeitsbelastung dürften wohl sehr viel rigoroser als bei uns auf die bestehenden Arbeitnehmer überwälzt werden, oder es werden Springer und Zeit-Angestellte verpflichtet. Nach Artikeln der afp und der Süddeutschen wird praktisch jede zweite Neuanstellung nur noch befristet ausgestellt.
Das führt zu einer schleichenden Entmenschlichung der Arbeitsverhältnisse, weil immer weniger Arbeitnehmer Grund haben, sich mit ihrem Unternehmen zu identifizieren und das “Humankapital” umgekehrt vor allem als Kostenfaktor gefürchtet wird. Deutschland findet sich in einer Falle wieder: Auf der einen Seite gibt es Hartz IV, mit den bekannten Auswüchsen und Sackgassen für die Empfänger, die von den Ämtern von Probeanstellung zu Probeanstellung geschoben werden, ohne Aussicht, von den Arbeitgebern je definitiv übernommen zu werden – oder dann nur in kleinen Teilzeitjobs (wie viele Tankstellen in Deutschland funktionieren mittlerweile seit Jahren nach diesem Prinzip?).
Und wer einen Arbeitsplatz mit Festanstellung hat, setzt alles daran, diesen zu behalten, geht kein Risiko ein, wagt keine Veränderung. Ich bin überzeugt, dass der massive Kündigungsschutz bei den Festanstellungen der Kern des ganzen Problems ist – und ich sehe keinen Weg, dies zu ändern, weil dieses Thema wohl keine Partei wirklich angehen wird. Zumindest nicht frontal. Nicht einmal die FDP, die hier ganz bestimmt gleicher Meinung ist, ihre potentiellen Wähler mit einer solchen Festanstellung aber nicht düpieren will. Hartz-IV-Empfänger aber sind nicht unbedingt die gesuchte Klientel, und darum wird der störrische Gaul namens Arbeitsrecht eben am Schwanz aufgezäunt.
Gerade bei diesem Thema erscheint mir ein Vorteil der Schweizer Wirtschaft eminent zu sein: Noch haben wir einen relativ stabilen Arbeitsfrieden – und es ist im Interesse aller Beteiligten, dass dies so bleibt.