Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Alt werden. Ja?

∞  16 August 2014, 23:55

Der Schweizerische Beobachter hat das Thema gerade abgehandelt: Die Menschen, die heute bei uns geboren werden, werden statistisch wohl hundert Jahre alt. Aber wie?

Wenn man deutlich in die zweite eigene Lebenshälfte eingedrungen ist – für unser einer ist das jenseits der fünfzig noch eindeutig der Fall – dann häufen sich die Einblicke ins hohe Alter: Die eigenen Eltern rücken in Bereiche vor, in denen die so hoch gepriesene Selbstbestimmung ihre Grenzen erfährt. Und immer häufiger werden die Beispiele, die wir alle in unserem Umfeld sehen können:

Menschen, die altern, die biologisch funktionieren, aber geistig sich zurück bilden, oder Menschen, die geistig sehr fit sind, aber körperlich immer grössere Probleme haben. Menschen, die körperlich funktionieren, deren Organismus beständig neu eingestellt, justiert werden kann, so dass dem einen Antrieb Folge geleistet werden kann:

Leben.

Mag es noch so wenig mehr beinhalten. Und die Alterung stellt ständig neue Aufgaben – und die Medizin flickt und injiziert und medikamentiert…

Dabei gäbe uns der Körper doch so viele Signale! Wie wir zum Beispiel den Appetit verlieren. Wir plötzlich Dinge nicht mehr essen mögen, die uns doch immer lieb und teuer waren.

Wir kennen alle die Gespräche: Du musst halt mehr spazieren gehen! Dich überwinden! Jemanden fragen, dass er mit kommt. Du musst mehr essen! Du musst trinken.

“Du musst…”

Wirklich? Und dann kommt er wieder, der (Über-)Lebenstrieb, und es ist so schwer, die tiefere Motivation dahinter zu spüren… Was ist wie bewusst geäusserter Willen, was nur Reflex?

Wie schön der Moment wohl sein kann, wenn es heisst: Ich mag nicht essen – und die Antwort folgt: Dann lassen wir es stehen. Der Körper ist dem Geist oft näher, als wir es ursprünglich wollen, aber er kann es so viel leichter machen. Manchmal weiss er viel früher, was genug ist, und die Qual besteht nur darin, den Geist überzeugen zu müssen.

Das Gegenteil aber ist brutal – und ich denke an Menschen, die ich kenne, welche diesen Kampf immer wieder in Wellen ausfechten müssen, nicht aus Altersgründen, ohne dass es mir wirklich möglich wäre, zu helfen, weil er auch ein Mysterium bleibt, dieser Kampf zwischen dem kranken Körper und dem Geist. Es ist so wichtig, dass dies privat sein darf oder wieder sein dürfte: Niemand kann für jemand anders entscheiden, wie weit er diesen Streit in sich beherbergen “muss”. Wir sollten für ein gutes Leben auch das Sterben wollen, es schon dann als Aussicht akzeptieren können, wenn wir im Grunde glauben, keinen Gedanken daran verschwenden zu müssen…