Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Allerlei Sensationen

∞  10 Juni 2012, 16:37

Wir und unsere Sensationen. Das Wort “sensationell”: Wann gebrauchen wir es, und für was?

Wir umschreiben damit eine ausserordentliche Leistung, einen Adrenalin-Schub. Oft, wenn ich das Wort höre, empfinde ich es zudem als falsch gewählt: Irgendwie ist das Wort “zu gross” für Vieles, das es umschreiben soll. Wären wir von so vielen Sensationen umgeben, wir würden schlussendlich das Ausserordentliche als etwas Beliebiges, weil Gewöhnliches empfinden, und unser Leben wäre grau und fad.

Aber dieses Leben IST voller Wunder, die über, neben und in uns geschehen, ohne dass wir den Sinn dafür hätten, die Wahrnehmung, den Blick, die Übersicht, die Achtsamkeit.


Hebbel hat mal gemeint, die Menschen würden das Feuerwerk beklatschen, nicht aber den Sonnenaufgang. Ja. Aber zum Glück gibt es nicht einfach den einen Jubel. Es gibt die Sensation, die uns nicht laut, sondern still werden lässt. Und selbst wenn uns nach einem Jauchzer ist, wenn wir auf eine wunderbare Landschaft blicken, so ist das Ausdruck einer ganz anderen inneren Berührung, als wenn wir eine menschliche Leistung bewundern und beklatschen:

Die Sensation der Natur offenbart uns ein Wunder, für das wir nichts können. Es ist so unfassbar schön und nicht zu verdienen, dass, wer kann, darob einfach nur das Glück eines Geschenks empfinden kann – und sich als Gast im Haus der Erde begreifen darf.
Dieses Geschenk ist auch gar nicht zu erwidern. Wir können aus der stillen Freude aber vielleicht ein wenig Andacht in den Alltag rüber retten, und uns bewusst werden, dass diese Gastfreundschaft auch ein Mandat darstellt, das ein wenig Verantwortung von uns fordert.

Ich weiss gar nicht, wie der Erde wirklich am besten zu helfen ist, aber ich weiss ganz genau, in welchen Verrichtungen und Lebensgrundlagen ich ein Unbehagen fühle. Am Ende ist es auch hier so, dass nicht das, was mir gescheite Professoren als Lebensstil empfehlen, mein Handeln bestimmen soll und muss: Es reicht, den Sonnenaufgang vor Augen zu haben, ihn immer wieder bewusst zu erleben, Auf- und Niedergang als Teil eines Wunders, das nie alltäglich wird, zu sehen, und ich werde daraus eine Haltung entwickeln – und ein Handeln.

Die natürlichen Sensationen, die zu erleben wir tagtäglich neue eingeladen werden, schaffen ein Bewusstsein für Recht oder Unrecht meines Verhaltens. Ich muss nur nah dran bleiben am nächsten Sonnenuntergang, und mir immer etwas Zeit zum Staunen nehmen.