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AHV: Knacknuss für die Sozial-Gemeinschaft

∞  3 März 2014, 22:06

Vimentis ist ein kostenfreies Schweizer Portal, bei dem 50 unentgeltlich mitarbeitende politisch interessierte Studierende mit gezielten Umfragen neutral und objektiv dem Meinungsstand der Schweizer Bevölkerung auf den Grund gehen wollen. Ziel ist mit allem Tun die Belebung der Diskussion zwischen Bürgern und Politik – auf der Grundlage neutral zusammen getragener Fakten.

So ist zum Beispiel die Umfrage zur Finanzierung der AHV zustande gekommen, die ich heute hier gerne zusammenfassen will. Zwischenm dem 1. Oktober und dem 30. November 2013 haben daran 23000 Personen teilgenommen. Ich bringe die 13 Ergebnistafeln hier gerne etwas pointiert auf den Punkt:

  1. Mehr als zwei Drittel sind für zusätzliche Einnahmen bzw. Abgaben an die AHV, nur jede vierte Person will ein höhreres Rentenalter.
  2. 87% wollen keine Kürzung der Rente in Kauf nehmen müssen.
  3. 60.6% wollen die Rente für Personen mit grossem Vermögen kürzen.
  4. Nicht ganz jeder Dritte könnte mit höheren Lohnabzügen für die AHV leben.
  5. Mehr als die Hälfte ist für die Anhebung der Vermögenssteuer in den Kantonen.
  6. Nur jeder Vierte kann sich höhere direkte Bundessteuern für die AHV vorstellen.
  7. Nur jeder Dritte wäre mit einem höheren Mehrwertsteuersatz einverstanden.
  8. Vier von Fünf Personen finden, es ist Zeit für das gleiche Rentenalter von Mann und Frau.
  9. Fast zwei Drittel lehnen Rentenalter 67 ab, nur gut jeder Vierte ist dafür
  10. Gut zwei Drittel finden, dass Personen mit belastenden Tätigkeiten früher Rente bekommen sollten.
  11. Fast die Hälfte, 45.5% sind für Lebensarbeitszeit statt fixem Rentenalter, 37.4% sind dagegen.
  12. 57% befürworten eine Schuldenbremse: Ab einem definierten Verschuldungsgrad werden Gegenmassnahmen für die AHV ergriffen.
  13. Sind Massnahmen notwendig, befürwortet nur jede zehnte Person tiefere Renten, nur jede fünfte ein höheres Rentenalter. Fast 70% sind dann für mehr Einnahmen / Abgaben.

Das Ergebnis zeigt sehr schön, dass

  1. die AHV für die Versicherten nach wie vor kaum verhandelbar ist: Sie stellt eine Art Vertrag zwischen Bürger und Staat dar und sichert das Minimaleinkommen für ein menschenwürdiges Alter.
  2. die Bereitschaft, am eigenen Portemonnaie Abstriche zu machen, deswegen nicht besonders gross geworden ist.
  3. zwei Zöpfe bei der Bevölkerung längst abgeschnitten sind, die Politik sich aber noch schwer tut: Belastende Tätigkeiten sollen einen früheren Anspruch begründen und Frauen und Männer sollen mit dem gleichen Alter in Rente gehen.
  4. die Anderen bluten sollen: Wer keine Rente braucht, soll Abstriche hinnehmen – also die Reichen.

Der letzte Punkt macht mich stutzig. Natürlich kann man argumentieren, dass, wer ein grosses Vermögen hat, tatsächlich nicht auf Rente angewiesen ist. Doch genau so, wie der Bürger die AHV als Anspruch aus seinem Vertrag mit dem Staat verteidigt, genau so gilt dieser – bereits reduzierte – Anspruch für Vermögende. In der ganzen Debatte, in der in der drohenden Not die Reichen Fliegen fressen sollen, geht eines vergessen:

Die AHV ist in ihrer Grundidee eine Umlageversicherung: Die arbeitende Bevölkerung finanziert den Grundstock des Ruhestands der Alten. Die begrenzte Gültigkeit dieser Finanzierung zeigt sich in den Ansätzen der Maximalrente: Sie ist gegen oben absolut begrenzt, und schon ein Arbeitnehmer mit mittlerem bis gutem Einkommen zahlt in aller Regel weit mehr in die AHV – Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung ein, als er später einmal als Rente wird beziehen können. Die so genannt Reichen leisten auf diesem Weg also bereits einen überproportionalen Beitrag durch die Abgabe der Lohnprozente.

Kürzt man ihnen nun zusätzlich als Bezüger die Maximalrente, so kommt man auf dieses Agreement zurück und erhöht durch den Druck der politischen Mehrheit den Einsatz der Allerwenigsten für das Wohl der Allermeisten. Das lässt sich scheinbar bald politisch durchsetzen und wird wohl auch so kommen. Nur muss sich dann niemand wundern, wenn die Kniffe weiter zunehmen, mit denen Verdientstmöglichkeiten gefördert werden, die ohne Lohnausweis auskommen. Wir sollten bei der Finanzierung der AHV durch uns Alle nicht vergessen, dass wir dabei auch jene Arbeit ehren, die nicht mit Spekulation Geld verdient, sondern als Unternehmer und Arbeitnehmer durch die Schaffung von Mehrwert durch Produktion und Dienstleistung. Wenn wir also nicht bereit sind, eine minimale Verteuerung unseres Konsums durch eine höhere Mehrwertsteuer in Kauf zu nehmen – wie wollen wir dann annehmen, dass die Reichen mit Begeisterung die Brieftasche für uns öffnen werden?

Wir können nicht in diesem Denken verharren, in dem “die da Oben” ruhig mehr für “die da unten” zahlen sollen. Damit schaffen wir Grenzen, Nivellierungen, Gräben und gründen neue Kasten, Stände. Wir verstehen uns nicht länger als Gemeinschaft, sondern haben verlernt, dass es Generationen übergreifende Solidarität ebenso geben muss wie das neid- und hochmutfreie Leben von Reich und Arm in sozialem Frieden. Dazu leistet die AHV einen Beitrag, indem sie jedermann eine Rente zuspricht, getreu einem Ansatz, dass jeder Bürger für seinen Beitrag auch eine Anerkennung verdient.

Wir sollten mit diesen Grundgedanken sehr sorgsam umgehen.