Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Achterbahn im Pflegeheim

∞  10 Dezember 2013, 20:11

Ich bin komplett leer. Die Tage sind reinste Wundertüten. Wir wissen nie, was wir antreffen werden. So kommen wir heute vom Besuch im verlassenen Haus, bei dem wir feststellen, dass umsichtig notwendige Wintervorarbeiten, die sonst immer geleistet wurden, einfach nicht mehr erinnert worden sein dürften, fahren in die Pflegeeinrichtung, um dort zu erfahren, dass Schwiegerpaps vor wenigen Stunden nach Hause gehen wollte und man ihn am Ausgang noch abfing. Das klang nicht gut. Das klang nach grossen schweren Desorientierungen, die eventuell in störrische Verweigerung aller Hilfe übergegangen war. Dann sehen wir die Musikgruppe mit Gitarre, und mittendrin: Schwiegerpaps????

Es stellt sich heraus, dass er tatsächlich Richtung Ausgang marschierte, oder besser schlich, mit tatterig leisem Schritt, und er dann vom Stationspfleger angesprochen wurde. Ja, er müsse heim, Geld holen. Der Fachmann sagt nicht einfach nein, stellt sich nicht in den Weg, sondern er meint, es wäre draussen wohl ohne Jacke zu kalt und doch viel besser, wenn eine Schwester mitkäme?
Der Pfleger zeigt ihm den Weg zurück zur Station und bittet ihn, da zu warten, bis die Schwester kommt. Und so landete mein Schwiegerpaps samt Angetrauter in der Musikgruppe. Mein Schwiegerpaps. Der ist ja noch unmusikalischer als ich!

Dann im Zimmer ist das verschwundene Geld ein Riesenthema, das natürlich nicht verschwunden ist, und das Pult, das er gestern nicht wollte, wäre heute ganz nett, auch wenn es zuhause dann da “an der Wand ein Loch hat”. Zehn Minuten später überlegt er weiter, dass es ja dann vernünftig wäre, das Haus zu verkaufen, wenn sie nicht mehr drin wohnten. “Mit Vermieten hast du nur immer wieder Scherereien.”

Dann weiss er nicht mehr, dass er vorgestern gefallen und gestern aus dem Spital ins Pflegeheim kam. Gestern war Autofahren noch ein absolutes Muss, heute akzeptiert er den Bescheid des Arztes, er müsse den Ausweis abgeben, mit Einverständnis, ganz zum Gegensatz von Mütterchen, das doch ins Dorf gefahren werden will und überhaupt das Beauty Case vermisst, weil es sich erinnert, dass es darin eine Silberdose mit Valium-Tabletten hatte. Die Suchtprobleme sind die kleinsten, und wir fahren mit den Beiden mit Achterbahn. Nach der Sorge, dass die Eltern die notwendige Veränderung annehmen können, wird die Trauer erst so richtig Raum bekommen, wie schnell der geistige Abbau voran schreiten kann.

Und doch atmen wir durch, und freuen uns über das wunderbare Personal, das seinerseits an uns Allen Freude zu haben scheint. Schön, wenn die Eltern auf dem Weg noch viel Wärme erhalten! Aber, wie gesagt, wir sind einfach nur erledigt.