Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Abschied in den Frieden - IX - Vor dem Hügel von morgen

∞  17 Juli 2013, 20:42

Das letzte Geleit wird nicht wie im Kino sein. Es wird nicht regnen. Es wird warm. Gerade so, wie du es nicht gern gehabt hast. Du hast alles hinter dir. Wie sehr wird mir das morgen Trost statt Kummer sein? Ich wünschte, ich wäre schon wieder zuhause.

Das Begräbnis deines Mannes ist fast genau zwanzig Jahre her. Nun also du. So Vieles hast du klar geregelt, bist deinen Weg gegangen – im Zweifelsfall auch gegen gewisse Konventionen. Aber ausgerechnet zum Begräbnis hast du kaum etwas festgehalten. Und was wir wissen, lässt darauf schliessen, dass du einen konventionellen Abschied möchtest. Vielleicht ist es ja gut so, weil es den Menschen um dich herum erlaubt, zu begreifen, dass du nicht mehr bist. Dabei haben wir alle zu deinen Lebzeiten erst einmal und vor allem unser eigenes Leben gelebt. Verwandt sein bedeutet ja längst nicht mehr nahsein. Das verwandte Blut pocht erst lauter, wenn es zu spät ist, scheint mir. Bei uns allen.

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Aber weisst du, ich denke immer wieder an die Überraschungen, die ich im Vorlauf zu dieser Abschiedszeremonie morgen erlebt habe: An das Trauergespräch, das mir geholfen hat – und an das Lebensbild, das mein Bruder entworfen hat. Ich selbst mag andernorts als hier nicht von dir, von uns reden, nicht öffentlich, nicht in diesem Rahmen, der mir wie ein Reflex für verpasste Gelegenheiten erscheint. Aber er ist menschlich. Ich nehme mir einfach vor, das, was ich von dir lernen durfte, gerade zum Schluss, lebendig zu halten, zu beherzigen und dann, wenn ich diese Erfahrung weiter geben kann, auch zu erzählen, wer sie mir geschenkt hat – und wenn ich schlicht bei mir selbst Sicherheit, Stärke oder auch nur gemilderten Kummer feststelle, dann werde ich dir bei mir danken. DAS wird mir helfen – und dich freuen, da bin ich sicher. Ich glaube, du bist an einem Ort und in einem Bewusstsein, das kein Mikrofon braucht, um erinnert, gehört zu werden – oder womöglich gar Botschaften zu senden.

Ich sage dir einfach hier und jetzt, dass mir keine Zukunft fehlt, in der ich dir unbedingt noch etwas hätte sagen wollen. Und das ist ein ganz tolles Geschenk.

Lebensfreude, Gesellschaft, und die Fähigkeit, sie auszukosten – das hätte ich dir schon noch gewünscht. Aber was du an positiver Grundhaltung für dein Leben und Schaffen einsetzen konntest, hast du doch immer abrufen wollen – und mir scheint, dass dein letztes Wegstück dir auch deshalb Frieden geschenkt hat. Tschüss. Es ist alles gut gekommen. So grammatikalisch holprig das daher kommt – ich kann es nicht besser sagen. Und es ist auch nicht nötig. Nichts ist mehr nötig für Dich. Den Rest brauchen wir, um uns noch ein bisschen zu zwicken: Es ist wahr. Und gut. Dabei bleibe ich.