Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Aber natürlich alles, auch Kinder!

∞  10 März 2008, 21:01

In der Zeit kann man einen sehr interessanten Vergleich nach dem Motto “damals und heute” studieren (via Facts", wo an anderer Stelle auch eine sehr anregende Diskussion über Frauenrollen in der Berufswelt nachzulesen ist). Im obigen Zeit-Artikel geht es um wohl situierte Paare, die vor dreissig Jahren portraitiert wurden, weil sie sich zu einem Familenmodell entschlossen, in dem beide Elternteile arbeiten können sollten und insbesondere auch die Mutter einem “vollwertigen” Beruf nachging und darin auch Ziele verfolgte.
Es ist interessant, zu lesen, wie sich der Haushalt und die Kinderbetreuung in dieser Situation anliess, und einigermassen ernüchternd, dass selbst die vorhandenen Mittel für Hausmädchen und/oder Kinderbetreuerin es nur vermeintlich leichter machten, zusammen zu bleiben. Dies wird deutlich, wenn die Zeit 30 Jahre später die Paare jetzt danach befragt, wie die Geschichte ausgegangen ist.

Im Beispiel einer Ärztin einer Universitätsklinik allerdings kann mich das nicht wundern.
Was ich da lese, macht mich fassungslos. Frau Ott ist zwar bemerkenswert ehrlich, wenn sie zugibt, wie schlimm es war, mit den inneren Vorwürfen umzugehen, wenn frau sich am Morgen von den Kindern trennen musste, aber sie findet es in erster Linie ungerecht, dass sie sich überhaupt Vorwürfe machen musste:


ZEIT online: Hatten Sie je ein schlechtes Gewissen gegenüber Ihren Kindern, weil Sie berufstätig waren?

Ott: Ein schlechtes Gewissen hat man immer, immer, immer. Ich werde nie vergessen, wie die zwei Kleinen oben an der Treppe standen und sagten: “Mami, geh nicht!” Da könnte ich heute noch weinen, das bricht einem wirklich das Herz. Ich glaube nicht, dass es eine Frau gibt, der es anders geht – und das ist das Ungerechte daran.


Frau Ott litt also an der Ungerechtigkeit der Welt. Während rund um den Globus die Männer als gewordene Väter ein Stück weit machtlos und wie zurück gestellt feststellen und erleben müssen, wie anders und viel intensiver die Bindung der Mütter an die Kinder ist. Und wohl kaum eine Mutter wollte dies auch anders haben. Und auch Frau Ott will ja Kinder haben. Davon ist sie ganz fest überzeugt und entsprechend entsetzt, wie es sich anhört, was sie damals


ZEIT online: Im Artikel damals sagten Sie, hätte man Sie vor die Wahl gestellt – Karriere oder Kinder – Sie hätten sich für Ihren Beruf entschieden. Wie stehen Sie heute dazu?

Ott: Ich bin selbst erschrocken, als ich das nochmal gelesen habe. So habe ich das damals aber nicht gemeint, denn ich wollte immer Kinder haben.



Also, ich finde das gar nicht so schlimm. Es ist Ihr gutes Recht, Karriere statt Kinder zu wählen. Nun weiss ich auch, dass dies vor dreissig Jahren nicht so leicht dahin zu sagen war. Dafür bin ich um so mehr unangenehm berührt, wenn ich lese, wie Ihre Antwort weiter geht:


Ich wollte damit sagen, dass ich nie meinen Beruf aufgeben würde und dass eher mein Mann zuhause bleiben sollte. Ich war und bin mit Leib und Seele Ärztin, es war für mich der schönste Beruf, den ich haben konnte und ein großes Glück.


Tja, Frau Ott, sie wollten eben genau das, was wir Männer scheinbar immer wollen: Alles. Sie haben das damals schon ganz richtig gesehen und täten gut daran, keine Interviews zu geben, wenn sie das heute nicht mehr so klar zu sagen bereit sind.

Ihr Mann war ja auch nur Architekt und hat Ihnen gar verboten, an Ärztekongresse zu fliegen – oder auch nur zu fahren. Das geht natürlich nicht und deshalb war es kurz nach dem damaligen Bericht Zeit für die Scheidung.

Ich weiss eigentlich gar nicht, warum ich mich so sehr aufrege. Warum denn sollten Frauen sich nicht in gleichem Masse egoistisch zeigen, wie es uns Männern immer nachgesagt wird? Aber ich finde es schon einigermassen erschütternd, mit welchem Bollwerk die von Selbstsucht geschwängerte Überzeugung, keine Fehler gemacht zu haben, hier von einer Frau spazieren geführt wird, die schlicht nicht bereit war, sich bewusst für Kinder zu entscheiden.

Aber im Grunde bin ich dankbar für dieses Beispiel. Ich befürchte nämlich, dass genau dies heute immer mehr zur Regel wird.

Dabei hiesse, sich für Kinder zu entscheiden, doch genau dies: Für und Wider abwägen und die negativen Aspekte bewusst in Kauf nehmen (annehmen, man stelle sich das mal vor!), statt sie von Anfang an situationsfremd und kinderungerecht (hier liegt tatsächlich das Unrecht) im eigenen Sinn biegen zu wollen.

Fundstück: Bild via dw-world.de