Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Aber der Glauben

∞  15 Februar 2008, 20:46

Hugo Stamm geisselt den Aberglauben – und vor allem jene Scharlatane, die damit Geld verdienen, wie aktuell bei Pro Sieben („The next Uri Geller“, jeweils am Diestagabend).
Mich interessiert daran mehr die besondere Wahrnehmung in der Diskussion, bei der Aberglaube sehr oft mit Glauben gleichgesetzt wird.

Wir leben in einer rationalen Welt, in der Marketing als professionelle Vernebelung unserer – theoretisch – natürlich vorhandenen Entscheidungsfähigkeit gesellschaftlich anerkannt fast als Kunst durchgeht. Konsum hat in dieser Konsequenz einen Wert, bedeutet Lebensqualität, wenn nicht gar Lebenssinn.
Wir kaufen schöne Dinge, um uns gut zu fühlen. Wir fühlen uns in den „richtigen“ Schuhen bei jedem Schritt sicher. Wir wappnen uns, gehören dazu.

Glauben ist etwas für Dumme, sagen wir Marken- und Konsumgläubige, und wer dagegen stänkert, gefährdet die Volkswirtschaft.

Der Glaube mache unfrei, heisst es. Dabei hat man die Religion im Kopf, die Kirche, die den Glauben anpreist.
Ganz individuell, im persönlichen Erleben, als Handhabe des Einzelnen im Kampf mit den Ängsten des Tages, lässt sich ein anderer Unterschied zeigen:

Der Abergläubige lässt sich Strategien anpreisen, mit denen er sich gegen die Gefahren des Lebens zu wappnen glaubt. Er bekämpft seine Furcht, sucht die Abwehr dunkler Kräfte. Die Massnahmen, die er dafür zu befolgen hat, sind einfach. Vielleicht irrational, aber niemals schwierig. Die „Leistung“ liegt einzig im Vertrauen darauf, dass das richtige Verhalten das gewünschte Resultat bringen mag.

Der Sinn des Glaubens aber ist es genau, jede Angst vor dem Morgen, dem nächsten Moment, zu überwinden. Wer glaubt, vertraut. Glaube in unserem westlichen modernen Christen-Verständnis sollte bedeuten: Mein Glaube lässt sich im Alltag erfahren. Er bewahrt mich vor gar nichts. Aber er erlaubt mir die Annahme meiner Selbst und meines Lebensweges. Er befreit mich von meinem Ego und lässt mein Ich wachsen, so dass ich Kraft für mein Wachsen finde und Sinn für meine Mitmenschen habe. Der Glaube hat dem Aberglauben die Verbindlichkeit voraus. Und das Handeln über Regeln hinaus. Vor allem aber erlaubt er eine Haltung in Geborgenheit.

Der Abergläubige steht derweil jeden Morgen mit seiner Angst auf. Sie verlässt ihn nie.

Bild: Wikipedia